[Deutschland] Die Gefahr für Autofahrer, auf deutschen Straßen einen Wildunfall zu erleiden, ist weiter hoch. Die 2020 registrierten rund 237.760 Verkehrsunfälle mit Wildtieren verdeutlichen das. Nach den Erhebungen besteht das größte Risiko einer Kollision nicht nur in den Herbstmonaten, sondern auch in den Monaten April und Mai. Bemerkenswert ist daneben, dass sich das Niveau der Fallzahlen über die Jahre nicht vermindert. Aus der Statistik ergeben sich rechnerisch pro Tag 651 Verkehrsunfälle mit Wildtierbeteiligung in der Bundesrepublik. Auffällig ist dabei die starke Zunahme von Unfällen mit Wildschweinen (Schwarzwild).
Jeder Fahrer steht in der Verantwortung, gefährliche Begegnungen mit den Tieren, die ihrem natürlichen Verhaltensprogramm folgen, zu vermeiden. Der Automobilclub von Deutschland (AvD) ruft deshalb die Verkehrsteilnehmer dazu auf, sich entsprechend anzupassen und die erforderliche Vorsicht walten zu lassen.
Jetzt im Herbst setzen die Dämmerungszeiten morgens und abends früher ein. Die Sicht ist dann besonders im Berufsverkehr beeinträchtigt. Das sind genau die Zeiten, in denen viele Wildtiere aktiv sind. Wer glaubt, dass das Gefahrenpotenzial ausschließlich ländliche Lagen betrifft, täuscht sich. Wildtiere siedeln sich mittlerweile vermehrt in städtischen Ballungsräumen an. Vor allem ein Zusammenstoß mit einem Wildschwein ist durchaus auch im Stadtgebiet möglich, z. B. in der Nähe von Grünanlagen oder Parks.
Der Zusammenprall mit Wild ist hochgefährlich
Nicht unterschätzt werden sollte die Energie, die bei einer Kollision mit einem Tier frei wird. In Abhängigkeit von der Fahrgeschwindigkeit steigt sie beim Aufprall exponentiell und entfaltet eine zerstörerische Wucht. Bei Tempo 60 wird etwa aus 20 Kilogramm Gewicht eines Rehbocks bei Kollision mit einem Auto rund 800 Kilogramm, die einwirken. Die langen Beine von Reh-, Dam- und Rotwild führen bei Zusammenstoß mit Stoßstange und Kühlergrill des Autos dazu, dass der Körper des Tieres auf der Motorhaube landet. Anschließend prallt diese Masse nahezu ungebremst auf die Windschutzscheibe. Solche Kräfte sind von dem Verbundglas nicht aufhaltbar, das Tier schießt mit Wucht in den Innenraum hinein und landet nicht selten auf der Rückbank oder im Kofferraum des Autos. Das bedeutet im schlimmsten Fall minimale Überlebenschancen für die Insassen und auch das Wild.
Der AvD gibt Tipps, um das Risiko eines Wildunfalls zu vermindern. Verkehrsteilnehmer sollten sie nicht nur in den kommenden Wochen beherzigen.
- Warnschilder unbedingt beachten. Nicht nur in Waldgebieten kann es zu Wildwechsel kommen. Hohe Aufmerksamkeit ist auch entlang von waldnahen Feldern und Wiesen gefordert. In der Nähe städtischer Grünanlagen ist ebenfalls mit Wildtieren zu rechnen.
- Die größte Gefahr droht bei eingeschränkter Sicht. Also Dunkelheit, während der Morgen- und Abenddämmerung, aber auch bei Nebel.
- Werden durch Waldgebiete und entlang von Feldern neue Straßen gebaut, besteht ein nochmals erhöhtes Risiko von Wildwechsel, da die Tiere ihre Pfade lange Zeit beibehalten.
- Nicht nur die Aufmerksamkeit auf den Bereich in Blickrichtung rechts neben die Fahrbahn richten. Wild kommt im Zweifel von beiden Seiten auf die Straße.
- Der AvD rät generell, die Geschwindigkeit und Fahrweise den Sicht- und Witterungsverhältnissen anzupassen. Dazu gehört, das Tempo so zu wählen, dass innerhalb der vom Lichtkegel ausgeleuchteten Strecke gestoppt werden kann. Das gibt die Straßenverkehrs-Ordnung vor.
- Tauchen Rehe oder Wildschweine am Straßenrand auf, bremsen und hupen. Damit kann man die Tiere verscheuchen. Achtung: Wildlebende Tiere sind häufig in Rotten oder Rudeln unterwegs. Auch wenn eine Gruppe bereits die Straße vor einem überquert hat, ist mit Nachzüglern zu rechnen.
- Tauchen Rehe oder Wildschweine am Straßenrand auf, bremsen und hupen. Damit kann man die Tiere verscheuchen. Achtung: Wildlebende Tiere sind häufig in Rotten oder Rudeln unterwegs. Auch wenn eine Gruppe bereits die Straße vor einem überquert hat, ist mit Nachzüglern zu rechnen.
- Bei Dunkelheit möglichst mit Fernlicht fahren, wenn der Gegenverkehr nicht geblendet wird. Die Tieraugen reflektieren das Licht, dadurch sind sie besser zu erkennen. Erkennt man helle Punkte im Seitenbereich der Fahrbahn, sofort abblenden. Man beugt dadurch der erwartbaren Reaktion der Tiere vor, dass sie instinktiv auf die Lichtquelle zulaufen oder auf der Fahrbahn stehen bleiben.
- Ausweichmanöver und Schreckreaktionen am Steuer vermeiden, um die Kontrolle über das Auto zu behalten. Die Gefahr für sich selbst, aber auch für andere Verkehrsteilnehmer ist sonst unkalkulierbar.
- Kann ein Zusammenstoß nicht vermieden werden, stark abbremsen und das Lenkrad gerade halten. Wird die Geschwindigkeit des Anpralls abgesenkt, steigt die Wahrscheinlichkeit für Insassen, durch die vordere Knautschzone des Autos besser geschützt zu werden.
Verhalten nach einem Wildunfall
Ist die Unfallsituation eingetreten, sofort anhalten, Warnblinktaste drücken, Warnweste anlegen und die Unfallstelle absichern. Das Warndreieck in ausreichender Entfernung (Minimum 100 Meter) aufstellen. Fahrzeugbeleuchtung bei Dunkelheit eingeschaltet lassen. Sind Personen verletzt, ihnen helfen und einen Notruf absetzen (Notruf: 112; Polizei: 110).
Angefahrenes Wild auf der Straße oder am Fahrbahnrand bitte nicht anfassen, es besteht Tollwutgefahr. Förster oder Jagdpächter sind für das Bergen eines Wildtieres zuständig. Deshalb neben der Polizei später auch den Förster informieren. Bei weglaufenden verletztem Wild sich die Bewegungsrichtung merken. Lassen es die Umstände zu, Fotos von der Unfallstelle und dem Tier machen. Mitglieder des Automobilclub von Deutschland (AvD) können sich bei Schäden mit ihrer AvD Notrufzentrale in Verbindung setzen.
Spuren am Fahrzeug (Blut, Haare an der Stoßstange) unbedingt dokumentieren, z. B. mittels Fotoaufnahmen, wie bei jedem Unfall. Der AvD rät, auf keinen Fall Unfallspuren vor Ende der Unfallaufnahme zu beseitigen.
Wildschäden sind in der Teilkasko versichert
Die Teilkasko muss Schäden am Auto bei einer Kollision mit „Haarwild“ ersetzen, wenn eine solche Versicherung abgeschlossen ist. Als „Haarwild" gelten laut Versicherungsbedingungen etwa Rehe, Wildschweine, Hirsche, Füchse, Hasen, nicht aber Vögel. Einige Anbieter haben den Schutz mittlerweile auf Unfälle mit Wirbeltieren erweitert. Wer nach einem Blick in die Police den Umfang der Deckung nicht klären kann, sollte beim eigenen Versicherer nachfragen. Die Vorlage einer Wildunfallbescheinigung ist bei vielen Versicherungen Pflicht. Bescheinigungen können Förster bzw. Jagdpächter oder die Polizei ausstellen.
Der AvD weist darauf hin, dass eine Versicherung Schäden auch dann übernehmen muss, wenn diese nicht unmittelbar durch Kontakt mit einem Wildtier verursacht wurden. Wer beispielsweise dem Tier ausweicht, ohne es zu berühren, und dabei mit einem Baum kollidiert oder im Straßengraben landet, hat dennoch Anspruch auf Schadenersatz durch die Teilkasko.
Tipp: Noch vor Ort Namen und Adressen von helfenden Verkehrsteilnehmern und Insassen notieren, da Wildspuren am Fahrzeug in dem Fall nicht vorhanden sind. Die Schadensursache ist dann nur über Aussagen von Augenzeugen zu dokumentieren. Der Versicherungsnehmer muss beweisen können, dass der Schaden durch ein Ausweichen vor Wild entstanden ist.
Laut Rechtsprechung muss der Versicherer auch dann zahlen, wenn das Ausweichen vor einem Kleintier, etwa einem Fuchs, in einem Unfall mündet. Die Versicherung ist in solchen Fällen unter Umständen berechtigt, Ansprüche von Geschädigten zu kürzen. Kommt es bei der Durchsetzung gegenüber der Versicherung zu Problemen, ist aufgrund der oftmals komplexen Rechtslage anwaltliche Unterstützung angeraten. AvD Mitglieder können sich in solchen Fällen unkompliziert an einen AvD Vertrauensrechtsanwalt wenden. Der Kontakt erfolgt über den AvD Mitgliederservice unter 069/6606800 oder per E-Mail an Diese E-Mail-Adresse ist gegen Spambots geschützt! JavaScript muss aktiviert werden, damit sie angezeigt werden kann. .
Quelle: AvD – Die Mobilitätsexperten seit über 120 Jahren