[Hessen und Drumrum] Wir fragen uns, ob das "geflügelte Wort" Wissen ist Macht noch gilt. Es stammt aus der Zeit der Aufklärung nach 1700, als die Menschen begannen, sich um Erkenntnisse mittels neuer Methoden aus der Naturwissenschaft zu bemühen. Kaum zu glauben, dass man rationales Denken erst entwickeln musste, als es darum ging, Strukturen zu beseitigen, die den Fortschritt behinderten. Neues Wissen sollte auf keinen Fall mehr als Hexenwerk abgetan werden dürfen.
Angesagt waren in jener Zeit immer wieder der Kampf gegen Vorurteile und starre Vorstellungen sowie festgefahrene Ideologien. Man wollte Toleranz und natürliche Rechte mit mehr persönlichen Handlungsfreiheiten für alle erreichen.
Die Strömung erfasste auch letztendlich die Literatur, die Kunst und immer mehr Kulturbereiche, so dass das Leben sich vom historischen Muff zur modernen Zeit wandelte. Herausgekommen sind im Ergebnis bis heute zumindest Bildung für alle, bürgerliche und Menschenrechte plus bestimmte Pflichten des Staates (der Obrigkeit :- )
Wo aber ist die damals angestrebte "Vernunft als universelle Urteilsinstanz" hingekommen? Die ersten Vordenker waren eigentlich der Überzeugung, das menschliche Zusammenlebens würde auf rationale Weise immer weniger Probleme machen. Und die kritische Öffentlichkeit täte das ihrige dazu...
Tja, das sagt Wikipedia jetzt dazu: Seit 1945 wird die europäische Aufklärung angesichts ihrer Spätfolgen auch als unabgeschlossenes und ambivalentes Projekt gedeutet... UND: In jüngerer Zeit wird Aufklärung überdies als unvollendeter gesellschaftlicher Emanzipationsprozess gewertet, der auch im 21. Jahrhundert der Fortführung bedürfe...
So what! Sind wir denkfaul geworden?
Nein, schlussendlich ist vom "Wissen" heutzutage schlicht (und einfach ???) zu viel vorhanden. Das bekommt man gar nicht mehr alles in einen einzigen Kopf hinein. Also packen verantwortliche Bildungsmacher es in möglichst verdauliche Häppchen (Schreiben / Rechnen / Sprache...) und servieren es wehrlosen Kindern als Schulunterricht bzw. fachlich ausgerichtet den Heranwachsenden als Studium. Mixen sie es mit praktischen Anteilen, wird es entweder zur Lehre oder einem Dualen Studium.
Irgendwann glaubt der Durchschnittsmensch anschließend, nach seiner "Ausbildung" alles zu wissen... oder wenigstens genug, um sich im Laufe des Erwachsenlebens gut zurechtzufinden. Um jedoch vielleicht eines Tages festzustellen, dass ihm / ihr doch noch Informationen fehlen, z. B. zu schlichten juristischen Angelegenheiten (Mietvertrag / Autokauf / Reklamation von Schrottlieferungen...).
Oder es wird ihm / ihr wichtig, sich über gesunde Ernährung zu schlau zu machen, weil er /sie nach ein paar bequemen Jahren am 30. Geburtstag bereits so viel wiegt wie 1,5 Personen - sich kaum noch bewegen mag und beginnt, an Diabetes (Bluthochdruck / Cholesterin...) zu leiden.
Spätestens nun wird es nötig, sich um Bewegung und den passenden Sport (Fitnessstudio / Verein...) zu kümmern. Wer entsprechende Ratgebersendungen im Fernsehen verpasst hat, bemüht schlauerweise Vergleichsportale im Internet oder YouTube... um letztendlich - frustriert ob der immensen Fülle an Möglichkeiten - bei lustigen Katzenvideos zu landen.
Am Ende wird man wohl wie seine Nachbarn im gesetzten Alter zu einem E-Bike tendieren. Radfahren an der frischen Luft soll ja gesund sein. Aber krass anstrengend will man es auch nicht haben. So räumt man sein zinsfreies Sparkonto leer und leistet sich einen modernen Drahtesel mit Elektroantrieb.
Sich dazu die passenden Sportklamotten (schweissabsorbierend plus Nässe- und Windschutz) zu besorgen, ist nicht übermäßig zeitaufwändig, wenn man zum Saisonanfang die Sonderangebote der Discounter in Anspruch nimmt. Die haben den Bogen raus, uns die richtige Funktionskleidung zu offerieren. Selbst wenn man eher zur Gartenarbeit (ist auch irgendwie Sport...) tendiert, wird man dort Montag und Donnerstag auf den Wühlauslagen fündig zwischen Gummistiefeln, Rosenscheren, Kniebrettern, Hacke und Schäufelchen...
Schlussfolgerung: Wissen ist gut, so lange die Beschaffung von Informationen nicht zur Qual wird
Vergleichen wir uns spaßeshalber mal mit einem Menschen aus dem 17. - 18. Jahrhundert, der weder Telefon noch Radio und Fernseher kannte, per Pferd und Kutsche reiste oder Waren per Karren transportierte, keine Kleider im Laden kaufen konnte und auf Neuigkeiten durch Hörensagen angewiesen war.
- Schulbesuch war noch nicht für jedes Kind möglich, das auf dem Feld mitarbeiten musste. Also konnte auch nicht jede/r lesen und schreiben.
- Bildung für das Volk wurde oft von ehemaligen Soldaten vermittelt <-KLICK.
- Echte Literatur gab es nur in Form von Papier zwischen stabilen Buchdeckeln. Der meist gebildete Pfarrer war folglich der Zampano der Dorfgemeinschaft.
- Die Wirtschaft basierte in der Regel auf dem Handel mit landwirtschaftlichen oder handgemachen Produkten. Kaufleute fungierten zunehmend auch als Bank (Geldverleiher) und das reisende Volk als Unterhaltungskünstler oder Jahrmarktshändler.
- Krieg: Von 1618 bis 1648 tobte in unserer Region der Dreißigjährige Krieg. Das Hauen und Stechen dünnte die Bevölkerung immens aus und tränkte die (Schlacht-)Felder mit Blut. Die Folgen machten die Leute wütend, brachten sie aber nicht wirklich zur Vernunft <-KLICK.
- Technik der vorindustriellen Zeit: Die Laterna Magica unterhielt die staunenden Menschen mit nie gesehenen Bildern <-KLICK.
- Die Naturwissenschaft beschränkte sich zu diesem Zeitpunkt hauptsächlich noch auf die Erforschung von Tieren und Pflanzen, das Experimentieren mit unterschiedlichen Stoffen und Elementen sowie dem Sammeln von Erfahrungen und ihrer Dokumentation.
- Kunst und Kultur: Das Bürgertum versuchte es dem (niederen) Adel gleichzutun, bestellte bei Künstlern Ölgemälde von der Familie und leistete sich Hauslehrer und Gouvernante.
- Musik vom Kastratengesang bis zur Orgel: Für Bälle und Feste wurden Chöre und Live-Orchester engagiert <-KLICK.
- Gesellschaftliches Leben unterteilte sich damals noch in vier "Stände": Bauern auf dem Land, Bürger in der Stadt, der Adel (Burg- und Gutsherren) plus die Fürsten als herrschende Landesherren.
- Verkehr: Wenn man nicht zu Fuß ging, war man mit Booten auf den Wasserstraßen (Flüssen) und Schiffen auf dem Meer unterwegs. Über das Land verkehrten die Menschen mit Karren, Ochsenwagen und Pferdekutschen auf nicht immer befestigten Wegen und Straßen. (Eisenbahn und Luftschiff war noch nicht erfunden.)
Stellen Sie sich einfach mal vor, so ein Mensch würde von einem auf den anderen Moment in unsere Jetztzeit gebeamt. Er würde NICHTS verstehen, weil ihm Hintergrundwissen fehlt = ein wertvolles Gut.
Heutzutage ist es nicht so wichtig, immer sofort Bescheid zu wissen, wann WhatsApp mal wieder seine Regeln ändert, welcher Mobilfunktarif gerade der günstigste ist und wo man in Coronazeiten ein Schlupfloch für eine Urlaubsreise findet. Es ist doch weiterhin alles im Fluss und entwickelt sich. Besser sind wir wohl dran, wenn wir es schaffen, uns mit einer brauchbaren Auswahl an Informationen über Wasser zu halten - und unsere Nachbarn und Freunde nicht ungebeten damit vollblubbern. Für die mag nämlich gerade etwas anderes relevant sein. (Außerdem ist ja Zuhören aufgrund von Überforderung durch eine immense Nachrichtenflut <-KLICK gerade aus der Mode gekommen...)
FAZIT: Wir müssen Wichtiges herausfiltern aus dem ganzen Weltenblaba, das von allen Seiten auf uns prasselt. Und dabei aufpassen, nicht auf nichtssagende / inhaltsleere Breaking News / Brand- und Unfallmeldungen, gepushte Werbung oder Betrügermeldungen hereinzufallen.
HESSENMAGAZIN.de hilft dabei mit = in seinen thematisch unterteilten Rubriken mit vorsortierten Artikeln samt sinnvoll angedockter Infos :-)
Quelle: Brigitta Möllermann, HESSENMAGAZIN.de
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