Rupprecht brachte Geschenke zu Weihnachten - Foto (c) HESSENMAGAZIN.de
[Deutschland] Lange bevor der Coca-Cola-Weihnachtsmann in seinem roten Mantel in der Geschichte der Menschheit auftauchte, war es ein kräftiger alter Mann, der durch die Winternächte ritt, um Kindern Puppen und Holzpferdchen zu bringen. Er sollte nicht mit dem Knecht Ruprecht, dem Gehilfen des Heiligen Nikolaus (oder war es das Christkind?), verwechselt werden, der auch manchmal als böse dargestellt wird und unartige Kinder mit einer Rute bestrafte.
Die Zeit der "schwarzen Pädagogik" ist inzwischen längst vorbei. Was aber hinübergeglitten ist in die heutige Zeit, ist ein mulmiges Gefühl beim Anschauen dieses Bildes. Es stammt aus dem verstaubten Weihnachtsfundus einer unserer Großmütter. Sie hielt Zeit ihres Lebens krampfhaft an ihren weihnachtlichen Ritualen fest, die weder ihre Kinder noch die Enkel verstehen mochten und das Fest aller Feste meistens zu einer unfröhlichen Zusammenkunft werden ließen.
Hildegards Brieflein an den lieben Onkel - Foto (c) HESSENMAGAZIN.de
Hinterfragen war nicht. Alles war halt "WEIL es schon immer so war". Doch das stimmte nicht und wurde eigentlich auch so empfunden. Trotz allem quälte sie mit ihrer unreflektierten Prägung aus der Zeit des Dritten Reiches ungehindet ihre Nachkommenschaft.
Mutti war (unzweifelhaft) immer die Beste, und Vati stand ganz oben in der Hirarchie. Er konnte wie ein Despot über alles und jeden bestimmen: "Keine Widerrede!" Und jeder Erwachsene hatte schon aufgrund seines Vorhandenseins das Recht immer auf seiner Seite.
Wer sich nicht an den Standard ("Was sollen denn die Nachbarn sagen?") hielt, wurde ausgeschimpft und / oder verhöhnt und im schlimmsten Fall sogar geschlagen: "Leichte Schläge auf den Hinterkopf erhöhen die Denkfähigkeit."
Ist es da ein Wunder, dass Weihnachten in dieser Art uns nicht gefällt?
Wikipedia hat unser mulmiges Gefühl zu diesem leicht zerfledderten Vorweihnachtskalender bestätigt:
Nach Ausbruch des Zweiten Weltkrieges gab das Hauptkulturamt ab 1941 in der Reichspropagandaleitung der NSDAP einen Kalender Vorweihnachten heraus. Der Kalender Vorweihnachten wurde von Thea Haupt gestaltet und enthielt neben einer Auswahl von Märchen und nationalsozialistischen Weihnachtsliedern auch Backanleitungen für so genanntes Sinngebäck.
Backanleitung auf Seite 13 a - Foto (c) HESSENMAGAZIN.de
Ergänzt wurde der Kalender aus dem Zentralverlag der NSDAP Franz-Eher-Verlag durch Bastelanleitungen für hölzernen Weihnachtsbaumschmuck in Form von Runen und Sonnenrädern, Klausenbäumen aus Kartoffeln sowie sogenannten Weihnachtsgärtlein, die die Krippen unter dem Weihnachtsbaum ersetzen sollten. Auch die „Herleitung“ der Bedeutung von Runen und Sinnbildern sowie die sogenannte Ahnen- und Sippenforschung wurde in dem Kalender umfassend thematisiert. Christliche Symbole wurden zu nationalsozialistischen Sinnbildern umgedeutet.
Nachdem der auf den ersten Blick harmlos erscheinende Kalender 1941 in den Familien von kinderreichen Funktionären mit Erfolg getestet wurden, kamen sie 1942 bis 1944 in den Handel. Mit der sich ändernden Lage an der Front erhielt der Kalender, der auf den zweiten Blick ein deutliches Propagandaprodukt und klar zur Indoktrination der Jugend gedacht war, ab 1942 auch zunehmend militärische Inhalte, die grafisch der jeweiligen militärischen Situation an der Front angepasst wurden. Auch die praktischen Lebensumstände spiegelten sich wider, so kommen die Backrezepte ab 1943 ohne Fett und Eier aus.
Bastelanleitungen zeigten Dinge, die man als Dank für Soldaten fertigen konnte, an die man aufgefordert wurde regelmäßig zu denken. Auch Folgsamkeit der Mutter gegenüber wurde gepredigt. Der Kalender war zentral über die Ortsgruppen der NSDAP zu beziehen und hatte einen Nennpreis von einer Reichsmark.
Der Kalender Vorweihnachten war jenseits der negativen Aspekte einer der ersten als Bastel- und Mitmach-Kalender dieser Art, die in Buchform konzipiert waren. Nach dem Krieg kam er in der Sowjetischen Besatzungszone auf den Index der auszusondernden Druckschriften. Auch im Westen war er zunächst verboten, wurde aber nach einer „Entnazifizierung“ der Inhalte 1968, 1973 und 1982 erneut aufgelegt und wird bis heute vertrieben. (Wikipedia)
HESSENMAGAZIN.de Nachtrag:
Das Inhaltsverzeichnis des Vorweihnachtskalenders - Foto (c) HESSENMAGAZIN.de
Wir haben trotz intensiver Recherche keine neu aufgelegten Exemplare dieses grenzwertigen Machwerkes gefunden. Im Antiquariat bekommt man jedoch noch welche zum Preis von ca. 70 bis 370 Euro.
Wir sind überzeugt, das ist es NICHT wert!
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