Sonntags Touristen am Steinbruch Michelnau: Unsportlich, aber todschick - das Kind mit Kamera auf dem coolen Skaterhelm (c) HESSENMAGAZIN.de
[Hessen und Drumherum] An schönen sonnigen Sonntagen schwärmen sie aus, um uns zu nerven: Die Touristen aus der Hölle. Meisten erkennt man sie an ihrem sonderbaren Gehabe und der regional unpassenden Bekleidung, wie z. B. Bergwanderschuhe beim Spazierengehen im Kurpark. Aber auch die kunterbunten Radsport-Outfits für den kurzen Nachmittagsausflug auf E-Bikes mit der Familie muten auffällig albern an. So lange man diesen Spaßbremsen weiträumig aus dem Weg gehen kann und sie nur von Ferne zu Gesicht bekommt, ist alles ok. Doch wehe, man stört ihre Kreise, kreuzt ihren Weg, spricht sie auf bei uns geltende Regeln an. Dann gibt es oft solcherart Geschrei: "Nieder mit den Eingeborenen!"
Jedoch würde kaum ein Einheimischer sich so danebenbenehmen und es wagen, zufällig getroffene fremde Menschen ohne echten Grund anzukreischen. Wenn es beispielsweise lediglich um das Benutzen seiner Fahrradklingel beim Überholen anderer Leuten auf einem schmalen Weg bergauf geht. Man könnte nämlich "wegen nichts und wieder nichts ins Gerede" kommen und die Nachbarn würden einen am Ende eventuell schief angucken und meiden... oder so.
Naja, für Touristen aus der Hölle, in diesem Fall für ungeübte Pedalritter, wäre Klingeln gar nicht möglich gewesen. Denn trotz elektrischer Schubunterstützung braucht man unbedingt beide Hände am Lenker. Aber auch mit einem "Hallo, Achtung, Vorsicht"-Ruf zu warnen geht ebenfalls nicht, weil der Atem fehlt. Den braucht man ja zum Schnaufen.
Kognitive Dissonanz (erkannte Unstimmigkeit) nennt man es unter anderem, "wenn man große Anstrengungen auf sich genommen hat, nur um dann festzustellen, dass das Ergebnis den Erwartungen nicht gerecht wird. Diese Dissonanz entsteht insbesondere bei einer Gefährdung seines positiven Selbstkonzepts." (Wikipedia)
Das heißt also: Wenn jemand auf einmal als Doofie dasteht, obwohl er / sie sich doch sooooooooooooo schick in Schale geschmissen hat, eine Menge Geld im Fahrradladen gelassen hat und nun am Ende vom edlen Rad absteigen muss, weil er / sie den Berg nicht hinaufkommt. Um diese Peinlichkeit zu überdecken, pöbelt man: "Sie haben uns doch gesehen..." (Von hinten?)
Mama hat nichts gegen ein Foto, Papa will jedoch nicht mit ins Bild und Kind sagt nix, staunt nur (c) HESSENMAGAZIN.de
Wäre es damit erledigt gewesen, hätte man die Begegnung unter "humorlos" abhaken können. Doch es hagelte von beiden (!) Erwachsenen minutenlange Anfeindungen ("wohl unzufrieden mit dem Leben") und Beleidungen ("dumme Kuh"). Da der Weg in eine Art Sackgasse zu einer Aussichtsplattfom weiterführte, hieß es dann bei der zweiten Begegnung dort: "Sie stalken uns wohl!" Und als ich um ein Foto bat: "Mit DER ALTEN Kamera?"
Da wurde mir klar, wie schwer hier das Selbstbild ins Wanken geraten war!
Mehr zu diesem Thema bei uns: Gut zu wissen Lifestyle Der Backfire-Effekt ist gar nicht lustig
By the Way
Kleine Könner auf normalen Rädern on Tour (c) HESSENMAGAZIN.de
Wenige Kilometer weiter war an diesem Sonntagnachmittag ein Vierertrupp einheimischer Kinder auf dem Rad in Gedern unterwegs. Ohne flankierende Eltern und "einfach" praktisch gekleidet informierten Sie mich fröhlich, dass sie "Rennfahrer" wären und pesten anschließend wie zum Beweis nur mit Muskelkraft über die Festwiese davon.
So what = macht gute Laune
Quelle: Brigitta Möllermann, HESSENMAGAZIN.de
1637