Fachtagung liefert Lösungsansätze für ein komplexes Verkehrsproblem
[Fulda] Viele Schulen im Landkreis gleichen morgens einem Drive-In: Immer mehr Eltern bringen ihre Kinder regelmäßig mit dem Auto. Bei schlechtem Wetter wird im Schnitt jeder dritte Grundschüler im Elterntaxi bis vors Schultor gefahren. Bequemlichkeit, Zeitdruck oder übertriebene Sorge der Eltern können die Ursachen sein. Ein Fachtag an der Winfriedschule stellte jüngst Lösungsansätze für das komplexe Phänomen vor.
Eltern, die ihre Kinder mit dem Auto in die Schule bringen, denken nicht daran, dass sie mit ihren gut gemeinten Absichten selbst zum Verkehrschaos im Umfeld der Schulen beitragen. Durch verbotswidriges Halten oder riskante Wendemanöver gefährden sie sogar die Schüler – ihre eigenen Kinder eingeschlossen. Laut Statistischem Bundesamt verunglückten in Deutschland allein 2016 rund 28.500 Kinder unter 15 Jahren im Straßenverkehr, davon 39 Prozent als Mitfahrer im PKW, 32 Prozent als Fahrradfahrer und 23 Prozent als Fußgänger. Statistisch gesehen ist es also gefährlicher, sein Kind mit dem Auto zu bringen als es selbst laufen zu lassen.
Aber nicht nur die massive Unfallgefahr durch den Elterntaxi-Verkehr, sondern auch andere gute Argumente sprechen dafür, Kinder und Jugendliche ihren Schulweg zu Fuß zurücklegen zu lassen. Gerhard Brink von der Kreisverkehrswacht erklärt: „Kinder, die sich schon vor Schulbeginn ein bisschen bewegen, starten ganz anders in den Schultag. Sie kommen wach dort an, statt müde aus dem Auto zu stolpern.“ Außerdem sei der Schulweg auch dazu da, mit anderen Kindern zu reden, zu lachen, sich zu verabreden. Und wer lernt, den Schulweg allein zu bewältigen, weiß sich im Straßenverkehr viel sicherer zu verhalten.
Lösungen für das Elterntaxi-Phänomen lieferte jüngst eine Fachtagung des Hessischen Wirtschafts- und Verkehrsministeriums und der Landesverkehrswacht Hessen e. V., zu der der Landkreis gemeinsam der Kreisverkehrswacht in die Winfriedschule eingeladen hatte. Sie richtete sich speziell an Vertreter von Grund- und Hauptschulen, Gemeinden, Straßenverkehrsbehörden, Straßenplaner, Stadt- und Kreisschülerbeirat, Schulelternbeirat und Polizeibeamte.
Eindrucksvoll schilderte Referent Jens Leven vom Wuppertaler Büro für Forschung, Entwicklung und Evaluation (bueffee) seine Erfahrungen aus jahrelanger Forschung zum Mobilitätsmanagement an Grundschulen. Allgemein empfiehlt er bereits ab einem Elterntaxi-Anteil von 15 Prozent das Phänomen vor Ort anzugehen.
Der erste Schritt zur Lösung des Problems sei, alle an einen Tisch zu holen: Schulleitung, Schulträger, Vertreter der Polizei, die zuständige Verkehrsbehörde, betroffene politische Fachausschüsse und natürlich die Eltern. Ihre Sorgen ernst zu nehmen, sei besonders wichtig. „Das Elterntaxi-Problem ist verkehrsplanerisch eine harte Nuss“, weiß Leven. „Es lässt sich nur durch eine Kombination aus gezielten und erprobten Maßnahmen verbessern.“
Hierzu hat sein Büro eine ganze Reihe von Empfehlungen erarbeitet. Wichtig ist es demnach, tatsächliche Unfalldaten zu sichten und die Eltern zu befragen, um überhaupt zu wissen, worüber man redet. Im nächsten Schritt gilt es Gefahrenstellen auf dem Schulweg aufzuspüren und nach Möglichkeit zu beseitigen. Bewährt hat sich im Zusammenhang mit dem Elterntaxi-Phänomen außerdem die Einrichtung spezieller Hol- und Bringzonen, die mindestens 250 Meter von der Schule liegen, sodass das letzte Stück des Schulwegs von den Schülern auf jeden Fall zu Fuß zurückgelegt werden muss. Weiterhin ist es wichtig, das Schulumfeld und Problemstellen mit den Schülern zu erkunden und ihnen konkrete Verhaltenstipps an die Hand zu geben.
Die Lehrer sind ebenfalls in der Verantwortung: Auch sie können den Kindern mehr Freude am Gehen vermitteln, indem sie das Thema in den Unterricht holen. Schulwege und die die Wege zu den Hol- und Bringzonen sollten mehrfach mit den Schülern geübt werden. Dies kann auch im Rahmen der üblichen Verkehrserziehung geschehen. Besonders gut werden die Hol- und Bringzonen angenommen, wenn sie öffentlichkeitswirksam gemeinsam mit den Kindern eingeweiht werden.
Hilfreich hierbei ist eine kindgerechte Kennzeichnung der Zonen und verbleibenden Wege, die beispielsweise im Rahmen einer „Malaktion“ umgesetzt werden kann. Eine generelle Empfehlung für jede Schule ist darüber hinaus die Erstellung eines modernen Schulwegplans. Dieser zeigt Kindern, wie sie sicher und selbstständig den Schulweg meistern können.
„Ganz wichtig ist außerdem eine kontinuierliche Evaluation des Projekts“, betont Leven. „Werden die Hol- und Bringzonen akzeptiert? Gibt es Konflikte? Muss irgendwo noch nachgebessert werden? Wenn sich die Veränderungen an einer Schule in Ihrem Landkreis oder Ihrer Stadt bewähren, kann sie zum Vorreiter für andere betroffene Schulen werden. Daher ist meine Empfehlung, erst einmal mit einer Schule zu beginnen“, lautet das abschließende Fazit des Verkehrsplaners.
Gut zu wissen
Interessantes zum Thema
ADAC-Leitfaden für die Praxis: Das Elterntaxi an Grundschulen – abrufbar unter www.adac.de
Leitfaden „Schulwegpläne leichtgemacht“ der Bundesanstalt für Straßenwesen – abrufbar unter www.verkehrswachthessen.de
Quelle: Presseamt Landkreis Fulda, 27.03.2018
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