Die beste Kirchenheizung ist: Keine Heizung
[Fulda / Hessen] Auf Initiative des Landesamtes für Denkmalpflege Hessen trafen sich dessen Vertreter am 22. August 2013 mit den Bauabteilungen der katholischen Bistümer und der evangelischen Landeskirche Hessen zu einer gemeinsamen Arbeitstagung und Bereisung im Kreis Fulda. Im Fokus standen Erfahrungsberichte und der fachliche Austausch zum Thema "Temperieranlagen und Wandheizungen in kirchlichen Gebäuden des Bistums Fulda".
Einleitend erläuterte der Fuldaer Diözesanbaumeister Dr. Burghard Preusler, dass zu feuchtes Raumklima in der Regel auf ein Zusammenspiel mehrerer der folgenden Aspekte zurückzuführen sei, die er als das „Fünf-Finger-Prinzip“ bezeichnete. Als häufigste Ursache nannte er schädigendes Heizverhalten, des Weiteren mangelnden Luftaustausch durch Schutzverglasung der Fenster, falsch angebrachte Dampfsperren, diffusionsverhindernde Dispersionsanstriche auf Wänden und Decke sowie falsche Pflege.
Das Raumklima in historischen Kirchen wird im Wesentlichen von den vier Komponenten Raumlufttemperatur, relative Luftfeuchte, Raumluftgeschwindigkeit und Raumumschließungsflächentemperatur bestimmt. Dabei nehmen Komponenten wie Heizung, Kirchenbesucher, Fugendurchlässigkeit und Bauwerksfeuchte Einfluss auf das Raumklima.
Historische Gebäude sind über Jahrhunderte ohne jegliches Heizungssystem ausgekommen. Doch der sich entwickelnde Komfortanspruch des Menschen auf eine gewisse Behaglichkeit in Räumen führte zum Einsatz von Heizungssystemen, die nun wiederum nicht nur die Gebäude selbst, sondern auch in erheblichen Maße die räumliche Ausstattung belasten und zu Schäden führen können.
So treten vor allem im Winter durch zu starkes Heizen und die damit verbundenen niedrigen Luftfeuchten Schwindrissschäden in der hölzernen Ausstattung oder Trocknungsrisse in Stuckdecken auf. Auch das Abbröckeln von Freskomalereien ist auf zu geringe Luftfeuchten zurückzuführen. Eine gegenteilige Gefahr birgt der Tauwasser-Ausfall auf der innenseitigen, im Verhältnis kalten Wandoberfläche. Zudem bildet der durch die Heizungsluft aufgewirbelte Staub in den Kondensationsbereichen einen idealen Nährboden für Schimmelpilzwachstum.
Dagegen sind in den Sommermonaten die Lufttemperaturen im Mittel 10-15 Grad höher als im Winter. Dadurch wird die absolute Luftfeuchtigkeit erhöht und kann zu entsprechenden Feuchteschäden führen, nicht zuletzt weil die Wände und Fußböden auf niedrigerem Temperaturniveau verharren. Aber auch die extremen Schwankungen zwischen Außen- und Innentemperaturen verursachen durch die damit einhergehenden stark wechselnden Feuchtigkeitsgehalte im Besonderen stetig Schäden am Kirchenbau und seiner Ausstattung.
St. Anna in Fulda-Dietershan
So waren auch in der 1885-1888 unter dem Paderborner Architekten Arnold Güldenpfennig erbauten Kirche St. Anna in Fulda-Dietershan bereits fünf Jahre nach der letzten Innensanierung Ende der 1980er Jahre die Wände erneut stark geschwärzt und vor allem im Bereich des Sockels durchfeuchtet. Die Ursachen hierfür lagen in einem falschen Betreiben der Fußbodenheizung, dem Innenanstrich mit einer Dispersionsfarbe und einer falsch angebrachten Dampfsperre in der Decke.
Als bauliche Maßnahmen ist zunächst die Außenwand trocken gelegt worden. Dazu wurden die Fundamente nach ihrer Freilegung wärmegedämmt und eine Drainage verlegt. Anschließend wurden innen im Bereich des Sockels und unterhalb der Sohlbankgesimse warmwasserführende Temperierbänder eingeputzt. Die bereits vorhandene Fußbodenheizung musste von da an auf reduziertem Niveau betrieben werden. So werden im Winter grundsätzlich 8 Grad gehalten und nur zu Gottesdienstzeiten wird auf 12 bis 14 Grad hochgeheizt.
Zusätzlich wurde eine Abluftanlage für Feuchteabtransport – vor allem durch Atemluft der Besucher – eingebaut, die per Hygrostat und Zeitschaltuhr für eine nicht schädigende, relative Luftfeuchte von 45 % bis 62 % sorgt. Eine ausreichende Zuluft ist durch die baubedingten Undichtigkeiten gewährleistet.
Heilig Geist in Fulda
Auch die 1730 bis 1733 nach Plänen von Andrea Gallasini errichtete Heilig-Geist-Kirche in Fulda musste im Rahmen einer Feuchtesanierung im Jahr 2008 von ihrer flächigen Fußbodenheizung auf eine Wandheizung in Form von kupfernen Wandheizelementen zwischen den Pfeilervorlagen umgestellt werden. Die Fußbodenheizung wurde sogar ganz gekappt. Ein gewisser Grundaustausch der Luft erfolgt durch die einfache Bleiverglasung der Kirchenfenster. Zusätzlich wurde eine Lüftungsanlage im Dachboden installiert. Die falsch angebrachte Dämmung auf dem Lattengewölbe wurde ausgetauscht und die Dispersionsfarbe an der Decke durch einen Kalkanstrich ersetzt.
Dommuseum Fulda
Bei dem Umbau und der Erweiterung des Dommuseums in Fulda (1992-1994) sind zu dessen Temperierung verschiedene Komponenten kombiniert worden. Neben einer Fassadenheizung in den Stahlprofilen der Glasfassade wurde zwischen dem historischen Mauerwerksverband und einer Vorsatzschale aus Gipskarton eine Wandheizung angebracht. Zudem wurde vor die bestehende Wand eine Sockeltemperierung aufgesetzt sowie Temperierbänder hinter die historischen Lamperien und in die Fensterlaibungen eingeputzt. Per Feuchte- und Temperaturfühler wird mechanisch entlüftet.
St. Michael in Neuhof
In St. Michael in Neuhof war die ungeregelte Nutzung der Fußbodenheizung ebenfalls Hauptverursacher einer Verfärbung und Durchfeuchtung der Wände. Hier wurde im Zuge der Innenrenovierung das bestehende Heizsystem durch den Einbau einer Wandheizung in vier verschiedenen Temperierbereichen ergänzt. Eine Entlüftung ist über Deckenöffnungen geschaffen worden, die durch abgehängte Platten verdeckt werden. Die Regulierung der Fußbodenheizung wurde minimiert und ist zudem heute von einer manuellen auf eine programmierte Steuerung umgestellt.
Fazit
So einzigartig jeder historische Bau ist, so individuell muss auch das jeweilige Lösungskonzept gegen ein zu feuchtes Raumklima sein. Dabei ist in 99 % der Fälle eine Feuchtesanierung notwendig, eine Heizung dagegen, auch wenn sie aus Gründen der Behaglichkeit wünschenswert bleibt, nicht. Eine Temperierung ist zwar keine Beheizung, sondern beinhaltet quasi als Nebeneffekt der Feuchtestabilisierung lediglich ein geringes Beheizen. Dennoch kann nicht zwingend mit deutlich niedrigeren Heizkosten gerechnet werden. Dafür stellt die Verzögerung des Zyklus der Innensanierung, die mit einer richtig temperierten Kirche einhergeht, eine nicht zu verachtende Kostenersparnis dar.
Betont werden muss auch, dass es sich bei den vorgestellten Kirchen durchweg um solche handelt, in denen noch bis zu drei Gottesdienste pro Woche stattfinden. Bei weniger Veranstaltungen, so Preusler, könne unter Umständen auch allein eine elektrische Bankheizung ausreichen. Beheizbare Sitzpolster seien ebenfalls eine mögliche Ergänzung. Darüber hinaus müsse man für die Zukunft aus Gründen des Bauunterhalts wie der Energieeinsparung verstärkt über Sommer- und Winterkirchen nachdenken.
Quelle Text: Landesamt für Denkmalpflege Hessen