[Mittelgebirge Vogelsberg] Alles begann vor zwei Jahrzehnten damit, dass Gäste und Besucher Ernst Happel, den damaligen Geschäftsführer des Naturparks Hoher Vogelsberg, immer wieder fragten, wo sie die ganz besonderen Pflanzen der Region sehen könnten. Weil Arnika, eine streng geschützte Heilpflanze, und Orchideen, wie das breitblättrige Knabenkraut, sowie beispielsweise die Trollblume ausschließlich auf naturbelassenen Feuchtwiesen anzutreffen sind, reifte bei ihm der Plan, dafür einen botanischen Schaugarten im Vogelsberg anzulegen. Auf der Suche nach einem Standort mit passenden Bedingungen für solche seltenen Pflanzenarten bot sich in Ulrichstein der 600 Meter hohe Schlossberg an.
Wegen der denkmalgeschützten und weithin sichtbaren Burgruine, die auf dem Basaltkegel über der Stadt thront, sollte das Gelände nicht bebaut werden. Es war deshalb ungenutzt und konnte durch ein Gutachten auf Eignung geprüft werden. Für die sechs Hektar wurde ein Plan erstellt und zusammen mit dem Vogelsberger Höhenclub (VHC), der Stadt Ulrichstein, der Naturparkverwaltung plus einer ersten Leadergeld-Förderung bis zum Jahr 2000 umgesetzt. Als Träger gründete man dafür den Verein der Freunde und Förderer des Vogelsberggartens.
Schönes, Seltenes und Nützliches gedeiht am Schlossberg
Seither bildet der Vogelsberggarten die frühere Natur des Mittelgebirges im Kleinformat ab. Tierweiden, Wiesen, die hier üblichen Hecken, ein kleiner Wald, zwei Äcker, einige alte Obstbäume, ein Kräuter- sowie der Bauerngarten zeigen die unverfälschte Natur von einst.
Ganz bewusst wurden in mehrere Themenbeeten heimische Wildpflanzen und bestimmte Gräser gesetzt und sind dort zu bewundern als botanische Raritäten. Da der Boden an manchen Stellen dafür nicht „mager“ genug war, musste man Sand in das eine oder andere Beet einbringen. Zur Unterstützung hatte Ernst Happel, der im Anfang fast drei Jahre lang den Garten selbst betreute, mehrere ehrenamtliche Helfer als „Paten“.
Ernst Happel aus Schotten prüft das Saatgut (c) Brigitta Möllermann
Fast 20 Jahre: Nachzucht für den Vogelsberggarten
Da Ernst Happels Aufruf in den Medien vor der Öffnung des Gartens, einheimische Samen, Ableger und alte Pflanzen zu spenden, wenig Erfolg brachte, zieht er seitdem in seinem privaten Garten in Schotten fast alles vor, was im Vogelsberggarten wächst.
Viele Stunden verbringt der engagierte Naturschützer damit, Saatgut zu sammeln und zu katalogisieren. Immer wieder recherchiert er die Fakten: Sind die Pflanzen Licht- oder Kaltkeimer, wie lange halten sich die Körner, bevor man sie aussäen kann. Manche kommen vor dem Winter in kleinen Töpfen und Blumenkästen in die Erde, einige erst im Frühjahr. Ins Freie bringt er die Pflänzchen, wenn es im Mai draußen warm ist.
Obwohl er es spannend findet, auch so etwas wie die südländische Stechpalme seit einiger Zeit draußen zu finden, ist es ihm wichtig, Gartenpflanzen nicht in die freie Natur „auszuwildern“. So soll verhindert werden, dass einheimische Wildpflanzen verdrängt werden und eventuell eine „Florenverfälschung“ stattfindet.
Einen Wunsch für die Zukunft hat Ernst Happel: „Es wäre gut, einen Nachfolger für diese wichtige Arbeit der Nachzucht zu finden. Er könnte jetzt noch von mir angelernt werden, um später in eigener Regie mit dem Betreiber des Vogelsberggartens, der Naturschutzbehörde und den bereits bestehenden Verbindungen zu den Botanischen Gärten Hessens weiterzumachen.“
Biene - bis in den Herbst unterwegs (c) Brigitta Möllermann
Insekten: Überwintern im Garten
Um Pflanzen zu erhalten und ihre Samenbildung zu fördern, ist die Bestäubung durch Insekten notwendig. Da diese immer weniger werden, geben Ernst Happel und Richard Golle - zuständig für die Anlage am Schlossberg - Tipps zum Überwintern der Nützlinge.
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Im Herbst sollte ein Großteil der Stauden stehen gelassen werden, damit in und an ihren Stängeln Insekten Zuflucht finden. Wenn die ersten Krokusse im Garten erscheinen, können die trocknen Pflanzen zurückgeschnitten werden.
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Die Reste der Stauden werden locker auf den Kompost geschichtet. Bis die Forsythien blühen, haben alle Insekten darin ihre Entwicklung abgeschlossen.
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Die „wilde Ecke“ im Garten enthält neben einigen Brennesselstauden, dem Komposthaufen im besten Fall auch trockene Äste und Totholz. Dort gibt es Unterschlupf für Kleintiere sowie Nahrung für Vögel.
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Wer ein übriges tun möchte, lässt in seiner nur einmal gemähten Blumenwiese bis zum Frost die letzten Blühpflanzen wachsen. Mit der richtigen Saatmischung kann das eine echte Augenweide sein.
Familie Happels wilde Gartenecke: Hinter den letzten blühenden Hortensien verborgen (c) Brigitta Möllermann
Im Frühjahr beginnt ein neuer Naturkreislauf
Vom Ei bis zum Schmetterling bzw. zur Biene durchlaufen Insekten verschiedene Stadien. Frisch gelegt verbringen sie ihre Zeit als Ei in Hohlräumen, trockenen Pflanzenstängeln und Ästchen. Die geschlüpfte Raupe bzw. Larve braucht danach frische Blätter und Blüten als Futter. Anschließend verpuppt sie sich und entwickelt sich in Ruhe zum fertigen Insekt. Am Ende benötigen Falter, Schmetterlinge, Bienen oder Fliegen je nach Art vielfältige Wirtspflanzen mit Blüten und Pollen, um sich zu ernähren und erneut fortzupflanzen. Der Biodiversität ist schon geholfen, wenn man in seinem Garten eine bunte Blumenwiese statt eines Rasens und ein paar wilde Ecken zulässt.
Quelle: Brigitta Möllermann