Ernst Happel und Richard Golle (v.l.): Gemeinsam gegen das Artensterben (c) Brigitta Möllermann
Der Sommer 2019 im Vogelsberggarten
[Ulrichstein / Vogelsberg] Ein Großteil unserer Wildbienen, Schmetterlinge und Nachtfalter sowie Schwebfliegen ist seit 1982 verschwunden. Aus diesem Grund warnen Naturschützer und das Umweltministerium eindringlich, sich bei der notwendigen Bestäubung von Pflanzen ausschließlich auf den Wind oder die Honigbienen von Imkern zu verlassen. Wild lebende Insekten bewirken mit ihren Blütenbesuchen teilweise noch mehr. Es gibt sogar Pflanzen, die benötigen speziell die Bestäubung durch Mücken, Fliegen, Käfer oder Ameisen.
Viele der lediglich 20 bis 30 Millimeter großen Wildbienen nisten alleine ohne Staatenbildung im Boden und in Erdwällen. Die Nachkommenschaft wird als einzelne Eier mit einem Futtervorrat versorgt und bis zum Schlüpfen im Jahr darauf mit Nektar und Pollen verklebt. Dafür sucht die Wildbiene mehr als 50 Mal die nähere Umgebung ab.
Jeden Tag seines nur vier bis achtwöchigen Lebens baut das rund 1 Gramm leichte Insekt einen Brutplatz für die nachfolgende Generation. In diesem Zusammenhang erscheint der Vogelsberggarten am Ulrichsteiner Schlossberg wie eine paradiesische Insel. Auf seinem Gelände und im Bauerngarten summt und brummt es während des ganzen Sommers hörbar: Auf allen Blüten sind die Bienen, Falter und Co. ungestört zu Besuch.
Vielfalt im Bienenweidenbeet (c) Brigitta Möllermann
Wertvolle Tipps aus dem Vogelsberggarten
Ernst Happel, der Begründer des Gartens, sowie der heutige Betreiber Richard Golle, sind sich einig, dass neben den Führungen auf dem Gelände wichtige Informationen weitergegeben werden sollten: "Rund 80 Prozent unserer Wild- und Kulturpflanzen sind auf Fremdbestäubung angewiesen. Ohne diese könnten Obst, Gemüse, Blumen - z. B. Arnika und Lavendel - Kräuter und Nutzpflanzen für Öl, wie Sonnenblumen und Raps, keine Früchte und Samen bilden. Bei Knoblauch beispielsweise wirkt die Bestäubung ertragssteigernd. Getreide wird allerdings zum Großteil vom Wind bestäubt."
Private Maßnahmen helfen, die Insekten-Population zu retten
Aktiv Artenschutz betreiben kann man in jedem Garten. Da viele Insekten von April bis Oktober im Freien nach Nahrung suchen, ist es zweckmäßig, in der ganzen Zeit blühende Tracht-Pflanzen als Futter anzubieten. Doch nicht jede hält genügend Nektar für blütenbestäubende Insekten bereit. Außerdem brauchen Schmetterlinge, Schwebfliegen, Raupen unterschiedliche Futterpflanzen. Eine große Vielfalt an Gewächsen ist daher für Insekten sehr wichtig, die auch als "bienenfreundlich" markiert in Gartenmärkten zu bekommen sind. Damit ist es möglich, das Nahrungsangebot in der Natur zu ergänzen.
Wildbienen brauchen Nektar und Pollen im Radius von wenigen hundert Metern
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Frühblüher sind im Februar Gänseblümchen, der Kleine Winterling, die Schwarze Nieswurz, Huflattich, die Zaubernuss. Im März kommen, die Hasel, die Weide und Schlehe, die Kornelkirsche, die Schneeheide sowie Krokusse, Schneeglöckchen, Windröschen und viele andere Wildpflanzen dazu.
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Ab April blühen neben dem Raps auch die ersten Obstbäume: Pflaumen, Äpfel, Birnen, dazu Mandelbäumchen und Kastanien, aber auch Osterglocken, Schlüsselblumen, Waldmeister und Misteln.
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Bis zum Mai erfreut man sich an Flieder, und die ersten Lichtnelken und Mohnblumen erscheinen. Über den Sommer hinweg gibt es draußen weniger Not. Blüten von Himbeeren und Weißdornsträuchern, Klee und Wald-Erdbeeren ernähren die Insekten.
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Von Mai bis Oktober blüht das einjährige wilde Knopf- oder Franzosenkraut (Galinsoga) mit seinen winzigen Blütenköpfchen. Teile der bis zu 60 cm hohen Pflanze sind sogar für Menschen essbar. Auch Vögel, Mäuse und Bienen mögen das seit dem 18. Jahrhundert eingebürgerte Franzosenkraut. Seine lichtkeimenden Samen sind lange haltbar.
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Bis Ende Oktober bieten unter anderem die Wilde Malve, der Herbst-Löwenzahn, die Gänseblümchen, der Storchenschnabel, das echte Leinkraut bzw. Löwenmäulchen, der Mönchspfeffer sowie Petunien, die Brennnesseln und das Johanniskraut den Insekten Pollen und Nektar.
Blühender Bauerngarten (c) Brigitta Möllermann
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Wer sich entschließt, eine blühende Wiese mit einer gekauften Saatgutmischung anzulegen, muss zuvor seinen Rasen dafür aufbereiten, indem er ihn zuerst vertikutiert. Anschließend werden die Samen eingerecht. Wie das genau funktioniert, kann man im Internet nachlesen bei www.gartenakademie.rlp.de, www.NABU.de oder www.BUND.net.
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Auf der Internetseite der Deutschen Wildtier Stiftung gibt man ebenfalls Hilfestellung für die Anlage eines bienenfreundlichen Gartens. Dort werden verschiedene Listen angeboten vom Saatgut über Gehölze, Stauden plus ein Blühkalender - siehe: www.wildbiene.org/wildbienen-thema-1
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Nicht alles wächst überall. Deshalb ist es wichtig, für seinen Standort die richtigen Pflanzen auszuwählen. Wer auf Nummer Sicher gehen will, sammelt regional von den verblühten Wildblumen die Samen nach der Reife und trocknet sie für das nächste Jahr oder sät sie gleich in mit Erde gefüllte Töpfe und stellt sie ins Freie.
Beratung - Anzucht - Aussaat: Ernst Happel (links) und Richard Golle arbeiten Hand in Hand (c) Brigitta Möllermann
Unterschiedliche Bedingungen - verschiedene Böden
Für ein optimales Pflanzenwachstum braucht es einen guten Boden, landläufig auch Erde genannt. Er muss locker und nicht überdüngt sein. Und in der "fruchtbaren" Humusschicht von 10 bis 30 cm sollten viele Bodenorganismen leben, damit die Pflanzen gedeihen können. Regenwürmer und Tausendfüßler lockern den Boden und verwandeln trockenes Laub und Holz zu Humus.
Von der Zusammensetzung mit Sand, Lehm oder Ton sowie der Körnung hängt der Erfolg des Pflanzenwachstums ab, ebenso vom pH-Wert. Saurer Boden hat einen niedrigen Wert zwischen 4 und 6, neutraler Boden zwischen 6,5 und 7,5. Dagegen liegt basischer bzw. alkalischer Boden mit viel Kalk zwischen 8 und 10. Den pH-Wert des Bodens kann man mit Teststreifen aus dem Gartencenter bestimmen.
Öko-Tipps
- Man soll unbedingt ohne Torf gärtnern, damit die letzten wertvollen Moore durch seinen Abbau nicht geschädigt werden. Außerdem benötigen die meisten Pflanzen keinen sauren Boden.
- Als Zierpflanzen sollte man bewusst keine mit gefüllten Blüten wählen, denn oft reicht die Rüssellänge der Insekten nicht aus, um tief genug hinein an den Nektar zu gelangen. Zudem haben viele Pflanzen statt der Staubgefäße extra Lagen Blütenblätter entwickelt.
Überwinterungshilfen neben dem üblichen "Insektenhotel"
Verblühte Stauden lässt man am besten stehen, damit in den hohlen Stängeln so manche "Puppe" schlafen kann. Die restlichen Samen im Garten bilden in der kalten Jahreszeit idealerweise Futter für Vögel, ebenso wie die allerletzten Beeren am Strauch.
Die beiden engagierten Naturschützer Happel und Golle ergänzen zum Schluss noch: "Man muss vor Wildbienen keine Angst haben, sie ist nicht aggressiv, da sie kein Volk zu verteidigen haben. Sie stechen uns Menschen normalerweise nicht, ihr Rüssel ist dafür viel zu kurz und eigentlich zu weich, um unsere Haut zu durchdringen."
Quelle: Brigitta Möllermann
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