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Offene Worte: Fünf vor 12 beim Klimawandel

Wikingerdarsteller: Sie lieben die schöne alte Welt (c) HESSENMAGAZIN.de
Symbolbild - Wikingerdarsteller: Sie lieben die schöne alte Welt (c) HESSENMAGAZIN.de

[Welt] Die Uhr tickt, die Welt steuert auf schlimme Zeiten zu, wenn jetzt nicht endlich jemand die Reißleine zieht. So wie es einst war, wird es nie wieder werden. Wir wissen längst, dass wir unsere Wälder nicht abholzen, die Gewässer nicht zumüllen und die Luft nicht mit Abgasen verpesten sollen. Und doch pennen viele von denen, die Raubbau, Vergiftung und Verschmutzung stoppen könnten.

Ein großer Teil der (bürgerlichen) Menschen jedoch hat es kapiert und geht nun auf die Straße, um zu demonstrieren bei der Aktion '"Fridays for Future". Das wird in Ermangelung eines einfallsreicheren Wortes schlicht "Klima-Streik" genannt. Doch es ist mehr. Am 20. September 2019 protestierten Tausende von Menschen für einen effektiven Klimaschutz, während unsere Bundesregierung ihren Zukunftsplan auf den Weg brachte.

Hier lesen Sie dazu das Allerlei der Pressemeldungen und Kommentare:


Zitat zum Klimaschutzprogramm 2030 der Bundesministerin Julia Klöckner

„Gemeinsam als große Koalition haben wir mit großer Kraftanstrengung etwas vorgelegt, was wir bisher so noch nie hatten. Wir haben sehr konkret dargelegt, wie wir die gesetzten Klimaziele erreichen wollen. Für alle Sektoren wird es ein regelmäßiges Monitoring geben, um das sicherzustellen. Gleichzeitig ist es ein Paket mit Augenmaß. Es geht um Entlastungen und Förderung auf der einen und wirksame Zielerreichung auf der anderen Seite. Das ist entscheidend für den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Meine Vorschläge für die Land- und Forstwirtschaft wurden aufgegriffen. Die Branchen werden wir bei der Umsetzung unterstützen. Damit leisten wir unseren Beitrag zur Erreichung der Minderungsziele.“

Die elf Maßnahmen des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft finden sich unter folgendem Link ab Seite 12 „C. Sektoren Land- und Forstwirtschaft“:

https://www.bundesregierung.de/resource/blob/997532/1673502/768b67ba939c098c994b71c0b7d6e636/2019-09-20-klimaschutzprogramm-data.pdf?download=1

Quelle Text: Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL), 20.09.2019


Klimapaket kann Einstieg in Kurswechsel sein (dena)

Zu den Eckpunkten für das Klimaschutzprogramm 2030, das die Bundesregierung heute vorgestellt hat, sagt Andreas Kuhlmann, Vorsitzender der Geschäftsführung der Deutschen Energie-Agentur (dena): „Der 20. September war ein bedeutender Tag für den globalen Klimaschutz - vor allem wegen der weltweiten Demonstrationen und Klimastreiks. Das sollte alle Entscheidungsträger weltweit ermutigen, den Klimaschutz ernsthaft voranzubringen.

Das Klimapaket der Bundesregierung kann ein Einstieg in einen Kurswechsel sein. Die dafür nötigen Instrumente sind enthalten: eine Bepreisung von CO2 und eine Flankierung durch vielfältige Programme, die Wechseloptionen für Verbraucher und Industrie schaffen. Viele aber haben sich insbesondere bei der Ausgestaltung des ökonomischen Rahmens deutlich mehr gewünscht, damit neue klimafreundliche Geschäftsmodelle und Technologien noch schneller in den Markt kommen können. Das, was heute politisch möglich war, ist sehr wahrscheinlich noch nicht genug, um die Klimaziele 2030 zu erreichen.

Deshalb kommt es jetzt darauf an, die Bundesregierung beim Wort zu nehmen: Die Klimaziele sollen mit dem Klimaschutzprogramm auf jeden Fall eingehalten werden. Bundestag und Bundesrat haben die Chance, das heute vorgestellte Konzept weiterzuentwickeln. Mit einem starken Monitoring will sich die Bundesregierung eine neue Verbindlichkeit und die Möglichkeit zum Nachsteuern geben. Das ist ein guter Ansatz. Damit kann der Einstieg in den Kurswechsel gelingen.“

Quelle Text: Deutsche Energie-Agentur GmbH (dena), 20.09.2019


Keine Antwort auf die Klimakrise (BUND)

Zum Klimapaket der Bundesregierung erklärt Hubert Weiger, Vorsitzender des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland:

„Die Große Koalition ist an ihren eigenen Zielen gescheitert. Das ist eine bittere Nachricht für das Klima und für alle Klimaschützerinnen und Klimaschützer, die heute die Straßen geflutet haben. Die Bundesregierung liefert keinen großen Wurf und keine Antwort auf die Klimakrise. Nach einer Dekade, in der die Emissionen in Deutschland kaum gesunken sind, nach Monaten des politischen Ringens, liefert sie ein Stückwerk aus halbgaren Maßnahmen, Ankündigungen und Absichtserklärungen. Die Union ist hauptverantwortlich für den fehlenden Ehrgeiz, aber auch die SPD hatte offenbar nicht die Kraft, ihre Positionen durchzusetzen. Dieses schwache Klimapaket dokumentiert das Versagen vor der Herausforderung der Klimakrise und den Verpflichtungen aus dem Pariser Klimaabkommen.

Das mögliche Klimaschutzgesetz kann über die Defizite in allen anderen Bereichen nicht hinwegtäuschen. Der CO2-Preis ist lächerlich niedrig, seine Einführung wird durch ein Handelssystem unnötig verkompliziert. Selbst bei der Energiewende ging es der Union hauptsächlich darum, mit pauschalen Abstandsregelungen für Windräder weiter Sand ins Getriebe zu werfen. Auf das Kohleausstiegsgesetz will man sich jetzt erst bis November einigen. Auch hier blockiert die Union.

Das Klima kippt und die Uhr tickt. Die Regierung Merkel muss bis zur COP nacharbeiten, wirksame Maßnahmen präsentieren und Gesetze vorlegen. Der unerträgliche Stillstand muss beendet werden.

Das Ermutigende des heutigen Tages sind die vielen Menschen, die auf die Straße gegangen sind, besonders Dank Fridays for Future und vieler anderer. Die Bewegung ist größer denn je und sie wird nicht nachlassen. Wir haben angesichts dieser Regierung noch viel zu tun und sehen uns auf der nächsten Klimademo.“

Zum Verkehrssektor sagt Ernst-Christoph Stolper, stellvertretender Vorsitzende des BUND und Mitglied der Verkehrskommission: „Die Politikverweigerung von Andreas Scheuer setzt sich im Beschluss der Regierung fort. Gerade im Verkehrsbereich wäre ein wirksamer CO2-Preis notwendig gewesen. Die Regierung setzt weiter auf den Verbrennungsmotor und scheut vor einer ernsten Verkehrswende zurück.“

Quelle Text: Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), 20.09.2019


Bundeskabinett muss Notbremse ziehen und Zustimmung zu desaströsen Vorschlägen verweigern (DUH)

  • Erreichen der Klimaziele 2030 wird mit vorgeschlagenen Maßnahmen des Klimakabinetts scheitern
  • Emissionshandel für Gebäude und Verkehr ist klimapolitischer Totalausfall
  • Ausbau der Windenergie wird sogar noch erschwert
  • Bundesregierung tritt damit die Forderungen der Streikenden mit Füßen und fällt hinter den eigenen bereits zu niedrigen Ansprüchen aus dem Koalitionsvertrag zurück

Das Klimakabinett hat heute ein desaströses Klimaschutzprogramm vorgelegt. Die verantwortlichen Minister scheitern damit an der Aufgabe, Klimaschutz ernsthaft und zukunftssichernd anzugehen, so das Fazit der Deutschen Umwelthilfe (DUH).

Der Umwelt- und Verbraucherschutzverband kritisiert, dass die vorgestellten Beschlüsse in keinster Weise ausreichend sind, die selbst gesteckten Klimaziele der Bundesregierung zu erfüllen. Es ist kein Plan für den umgehenden Einstieg in CO2-Reduktionen erkennbar. Die Einführung eines CO2-Preises über einen nationalen Emissionshandel für die Sektoren Verkehr und Gebäude gleicht einem klimapolitischen Totalausfall. Die Umsetzung wird Jahre in Anspruch nehmen, die Deckelung der Zertifikate-Preise verhindert jeden klimapolitischen Nutzen. Der Gipfel der Absurdität ist der Ausgleich der ohnehin geringen Kostensteigerungen durch die Anhebung der Pendlerpauschale.

Ebenso schlecht ist das Ergebnis für den Ausstieg aus den fossilen Energien: Beim Ausstieg aus Kohle und Gas sind gar keine Fortschritte zu verzeichnen. Dagegen wird der Ausbau der Windenergie an Land durch neue Abstandsregeln weiter erschwert. Dies ist dramatisch, da dadurch selbst das Repowering bestehender Standorte vor neue Hürden gestellt wird. Die Maßnahmen im Verkehr sind überwiegend Luftbuchungen. Die DUH fordert das Bundeskabinett auf, die Zustimmung im Bundeskabinett am kommenden Mittwoch, 25. September 2019, zu verweigern.

Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der DUH: „Das Klimakabinett muss nachsitzen. Nach dieser Arbeitsverweigerung der zuständigen Minister fordern wir das reguläre Kabinett auf, in seiner Sitzung am kommenden Mittwoch den heute vorgestellten Vorschlägen nicht zuzustimmen – alles andere gleicht einer Bankrotterklärung an den Klimaschutz. Was das Klimakabinett heute präsentiert hat sind lediglich Luftbuchungen und leere Versprechungen. Vor wesentlichen Entscheidungen drücken sich Kanzlerin Merkel und die Minister des Klimakabinetts erneut herum. Ob beim Kurs für 100 Prozent Erneuerbare, konkrete Vereinbarungen zum Ausstieg aus Kohle, Öl und Erdgas – ein Wille für ernsthaften Klimaschutz ist mit diesem Plan nicht erkennbar.“

Constantin Zerger, Leiter Energie und Klimaschutz der DUH: „Dieses Ergebnis sorgt für Fassungslosigkeit. Seit einem Jahr wachsen die Proteste für mehr Klimaschutz – mit den heutigen Ergebnissen tritt das Klimakabinett die Forderungen der Streikenden und die Mahnungen der Wissenschaft mit Füßen. Und bei Erneuerbaren legt das Klimakabinett sogar den Rückwärtsgang ein: Neue Abstandsregeln für Windkraftanlagen werden nicht nur den Ausbau an vielen Orten stoppen – sondern auch das Repowering von bestehenden Anlagen verhindern. Das ist das Gegenteil von Klimaschutz.“

Da das Klimakabinett nur ein Unterausschuss des Bundeskabinetts ist, kann es formal keine Beschlüsse für die Bundesregierung fassen. Deshalb ist noch die Zustimmung des Bundeskabinetts in seiner nächsten regulären Sitzung am kommenden Mittwoch, den 25. September 2019, erforderlich. Das Klimakabinett muss in den entscheidenden Punkten nachbessern.

Quelle Text: Deutsche Umwelthilfe (DUH), 20.09.2019


Kommentare von Geschäftsführer Martin Kaiser (Greenpeace)

Die andauernden Verhandlungen zur Klimastrategie der Bundesregierung:

„Die Große Koalition inszeniert vor den Augen Hunderttausender Klimabewegter ein unwürdiges Schauspiel. Die Länge der Verhandlungen soll offenbar über ihre Substanzlosigkeit hinwegtäuschen: Ein unkonkretes Eckpunktepapier lässt sich nicht als großen Wurf verkleiden. Ohne belastbare Maßnahmen, die verlässlich die von der Regierung zugesagten 300 Millionen Tonne CO2 einsparen, wird die vergangene Nacht zur Farce.

Schon im November 2016 hat die Bundesregierung beschlossen, wie viel CO2 in Bereichen wie Verkehr, Energiewirtschaft oder Gebäudewärme bis 2030 gespart werden muss. Wenn fast drei Jahre später noch immer kein Plan vorliegt, mit welchen gesetzlichen Verpflichtungen diese Ziele sicher erreicht werden, dann zeigt die große Koalition damit, dass sie die Herausforderungen im Klimaschutz überfordert.“

Eckpunkte für das Klimasschutzprogramm 2030 der Bundesregierung:

„Die Große Koalition kann keinen Klimaschutz. Union und SPD fehlen die moralische Verantwortung und der politische Mut, unsere Zukunft zu sichern. Auch nach monatelangen Verhandlungen liefert Kanzlerin Merkel lediglich ein Bündel Eckpunkte und Maßnahmen, das meilenweit hinter den Verpflichtungen aus dem Pariser Klimaabkommen zurück bleibt, die viel zu hohen Emissionen weiter stagnieren lässt und selbst das schwache 2030er-Klimaziel der Bundesregierung krachend verfehlt.

Verantwortlich für dieses Debakel ist vor allem der Widerstand der Union mit ihrem im Vorfeld geäußerten Widerstand gegen klare politische Leitplanken, die auch die Industrie beim Schutz des Klimas in die Pflicht nehmen. Indem die Union jeden spürbaren Einschnitt beim Klimaschutz ablehnt, zeigt sie, dass sie der Herausforderung der Klimakrise nicht gewachsen ist. Kanzlerin Merkel fährt nackt zum UN-Gipfel nach New York.

Ein lächerlich niedriger CO2-Preis, der Benzin und Diesel nur wenige Cent verteuert und zudem von einer höheren Pendlerpauschale wieder aufgehoben wird, suggeriert Klimaschutz, bleibt aber weitere zehn Jahre vollkommen wirkungslos. Wer sich auf solche Maßnahmen verlässt, springt auch mit einer Plastiktüte als Fallschirm aus dem Flugzeug.

Die Hoffnung in der Klimakrise kommt heute nicht aus dem Kanzleramt, sondern von Hunderttausenden, die in ganz Deutschland für wirksame Beschlüsse auf die Straße gehen. All diese Menschen sind ein klares Zeichen für die Bundesregierung: Sie muss dieses Papier zurücknehmen und mit mehr Ehrgeiz und Verantwortung erneut an die Arbeit gehen. Spätestens bis zur Klimakonferenz Anfang Dezember müssen Union und SPD ein Klimapaket schnüren, das mit einem schnelleren Kohleausstieg, einem Abschied von Diesel und Benzin und einem Ende der Massentierhaltung eine wirkliche Antwort auf die größte Krise der Menschheit gibt.“

Quelle Text: Greenpeace, 20.09.2019


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