Der Letzte, der geht, macht bitte das Licht aus (c) HESSENMAGAZIN.de
[Vogelsberg / Kleines dunkles Hessen] Gesetze sind gut und wichtig, sie vermitteln uns zivilisierten Menschen, was Recht und Unrecht ist. Daneben gibt es jedoch noch ein so genanntes "Gewohnheitsrecht" oder explizite "Ordnungen", nach denen gelebt und gehandelt wird / muss bzw. sollte. Ein Sonderstellung darunter hat das "Landrecht", das im Mittelgebirge Vogelsberg in vielen Bereichen immer noch seine Gültigkeit hat, obwohl es offiziell gar nicht existiert ;-)
Volkssport: Gelindes Aufbegehren gegen Anordnungen
Dazu gehören solche Spitzbubenakte, wie Straßen-Sperrungen auf für Verkehr nicht erlaubten Feldwegen zu umfahren und schöne große Feste in FFH-Gebieten abzuhalten, die normalerweise der Natur vorbehalten sein sollten. Wenn man dann noch die richtigen Leute des entsprechenden "Amtes" dazu einlädt, gibt es immer grünes Licht und so gut wie nie die rote Karte. Das ist irgendwie tolerierbar, weil ganz viele daran Spaß haben und sich der Schaden in überschaubaren Grenzen hält.
Ärgerlich wird es erst, wenn die "Obrigkeit" sich in aller Selbstverständlichkeit Sonderrechte herausnimmt - so wie früher. Wer das darf, wer dabei gedeckt wird und zum erlesenen Kreis dazugehört, bestimmen ausschließlich seine Mitglieder. Das kennt man von den Rockern und es hat etwas mit Macht zu tun. Letztere allerdings agieren auch notfalls mit Gewalt.
Draufhauen und Pöbeln ist verpönt
Bei der Obrigkeit dagegen läuft es subtiler ab. Es wird nicht offen, sondern aus dem Hintergrund heraus agiert. Das wiederum kennen wir nur zu gut von Politikern, welche uns jetzt nach fünf Jahren wieder zur Wahl des hessischen Landesparlaments umgarnen und mit Wahlversprechen zutackern, die ein vernünftiger Mensch eigentlich nicht ernst nimmt.
In diesem Zusammenhang erzählen uns gerade passend ein paar lokale Medien von einem "landesherrlichen" Akt aus der Kreisverwaltung im Vogelsberg, den die beiden Verwaltungschefs (Landrat und sein Vize) angezettelt haben.
Vorgeschichte: Des Kaisers neue Kleider
Nachdem man an der Verwaltungsspitze des Vogelsbergs vor einiger Zeit erkannt hatte, dass der extrem ländlche Landkreis sich zwar bemühen kann, wie er will, er aber weiter im Windschatten der Rhein-Main-Region übersehen werden wird, beschloss man, sich zu einer MARKE hochzuarbeiten. Zuerst erzählten gut bezahlte externe "Berater" den Verwaltungschefs und Abteilungleitern der Ämter sowie den herbeigerufenen lokalen Unternehmern, dazu bräuchte man nicht nur ein besonderes Image <-KLICK, sondern auch TOLLE Arbeitsplätze, die den Zuzug qualifizierter Fachkräfte anstoßen sollen.
Nicht zuständig?
Die "hauseigenen" Regionalförderer Vogelsberg Consult, eine Gesellschaft, die extra vor Jahren schon vom Landkreis zwecks Wirtschaftsförderung ins Leben gerufen und seither mit einer Menge Geld unterstützt wurde, agiert mit inzwischen 15 Angestellten fast im Verborgenen, aber mit einem Riesenetat. Nur ab und zu hört man in den Medien von ihrer "Weiterbildungsdatenbank", dem Projekt "Jobstarter" oder "go-Vogelsberg" als Service für Azubis bzw. Neubürger oder der soundsovielen Unternehmensberatung plus Übergabe von Fördergeldern für Neugründungen.
Mit diesen Aufgaben sind alle ihre Angestellten ausreichend gut beschaftigt und das Schönste: Man bekommt für diese Maßnahmen sogar selbst Fördergelder!
Geschäftsbericht 2017 lesen: HIER <-KLICK... 2022: existiert nicht mehr ;-(
By the Way: Das auf der Seite 11 im Geschäftsbericht erwähnte Vogelsberg Portal ist Mitte 2018 eingestampft worden. Mehr dazu: HIER <-KLICK.
Buzzwort: Fachkräftesicherung
Als alle Bemühungen letztendlich doch nicht fruchteten, beschloss man unisono, eine neue Abteilung mit Unterstützung der Vogelsberg Consult (VBC) in der Kreisverwaltung anzusiedeln. Die bewährteste weibliche Kraft der VBC und ein dort immer bemühter eifriger Abteilungsleiter bildeten nun die Köpfe der neuen Truppe, die dem Wirtschaftdezernenten direkt unterstellt wurde. Ahnung vom Marketing hatte zwar keiner von ihnen. Aber Rat und Tat kann man sich ja "einkaufen".
Naheliegend: Einladung zum Mitspielen an ergebene Lobbyisten
Nun musste unbedingt eine schicke neue Broschüre her. Sogar heute noch, in unseren modernen digitalen Zeiten, sollten die Vorteile des kleinen kargen Landkreises in schön gedruckter Form der Menschheit serviert werden. Weil aber nun weder die Leute vom Amt noch alle Förderprofis bei der "Kreativität" groß punkten, möchte man das Darstellen aller Angebote einer lokalen Zeitung überlassen. Immerhin sind Redakteure und Reporter bzw. freie Mitarbeiter die Herren aller Worte. Jedoch fällt der Zeitung in Lauterbach nichts Besseres ein, als - so wie immer - auf Anzeigen zu setzen. Das bringt Geld in die Kasse.
Vorne dran: Der Landrat und sein Vize tun, was sie immer tun
Und wie es üblich ist bei gedruckten Traktaten: Die Presseabteilung der Kreisverwaltung verfasste wohl im Auftrag der Chefs ein Vorwort - eigentlich für Bücher oder die Schirmherrschaft bei Veranstaltungen gedacht.
Die Infobroschüre <-KLICK... 2022: existiert nicht mehr ;-(
In diesem Fall allerdings gab es eine ungenierte Aufforderung zum Mitmachen für das geplante „Spektrum Wirtschaft“ an Vogelsberger Firmen. Diese einseitge Empfehlung löste einen Sturm im Wasserglas aus. Ein Unternehmer aus Alsfeld stellte sich auf die Hinterbeine und kritisierte den Landrat.
Online (!) Meldungen dazu - selbst nachlesen
Oberhessen-Live, 23.10.2018: HIER <-KLICK.
Osthessen-News, 25.10.2018: HIER <-KLICK.
Was die ganze Sache so prickelnd macht
Vor einigen Monaten hatte die Fuldaer Zeitung zum Sommer 2018 hin versucht, die Mitbewerber aus dem Nachbarkreis aus dem Rennen zu schubsen und den "Fuß in die Tür zu kriegen". Dazu gab man ein 40-seitiges Blatt heraus, das die schönen Seiten des Vogelsbergs abbildete. Nicht Hochglanz, dafür aber in einer hohen Auflage und verteilt als Beilage in der Tageszeitung - und mit nur wenig / erträglicher Werbung. Wirklich lesbar. Leider aber wohl ein vergeblicher Versuch ;-)
Vogelsberger Seiten: HIER <-KLICK... 2022: existiert nicht mehr ;-(
HESSENMAGAZIN-Prognose
Nachdem wir nun seit 2004 auf und in den Vogelsberg schauen, wagen wir eine Wette. Der Einsatz ist eine Tüte Gummibärchen.
Wir behaupten, dass sich auch in einem Jahr der Vogelsberg nicht zu einer deutschlandweit - geschweige denn weltweiten - MARKE entwickelt hat und die Vogelsberger Firmen demnach von Bewerbern NICHT gestürmt werden.
Sie können dagegen halten :-)))
PS: Fairerweise weisen wir zusätzlich noch auf ein großes Arbeitgeber-Bewertungsportel hin. Darin kommen die Vogelsberger Firmen nicht wirklich vor, obwohl in Hessen mehrere tausend Unternehmen vertreten sind.
Selbst nachschauen bei Kununu.com
Nachtrag im Oktober 2022, also vier Jahre später
Ein Jahr nach diesem Bericht, wurde die Vogelsberg Consult GmbH aufgelöst und samt MitarbeiterInnen von der Kreisverwaltung übernommen: Status -> KLICK! Ihr Geschäftsführer Thomas Schaumberg wurde im Nachgang für rund zwei Jahre als Liquidator ("Totengräber") bestellt sowie zum Sachgebietsleiter der Abteilung Wirtschaftsförderung, Tourismus und Kultur im Landratsamt befördert. Sein Büro im Altenburger Schlösschen in der Nähe von Alsfeld durfte er erstmal behalten :-)
Nun kann sich "die Innovationskraft spannender Unternehmen hier in der Mitte Europas zielstrebig entfalten", heißt es dazu offiziell. Also "ideale Standortbedingungen... für prägende Klein- und Mittelbetriebe mit hoher Krisenfestigkeit"... denen allerdings die Fachkräfte selten zulaufen, sondern lieber woanders ihre Brötchen verdienen.
Die letzte Bilanz der "Gesellschaft für Regionalentwicklung und Wirtschaftsförderung" wurde für 2019 über 611,5 Tsd. Euro veröffentlicht. Der Landkreis spart seither 377.000 Euro jährlich, die jährlich in die Vogelsverg Consult investiert wurden.
So geht's im Leben.
Quelle: Brigitta Möllermann, HESSENMAGAZIN.de
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