[Hessen] Die Empörung ist groß: Vier Hektar Wald pro Windkraftanlage sollen gerodet werden und breite Schotterpisten dazu durch den Wald gebaut werden für den Transport der Kräne, die selbst dann noch bestehen bleiben, wenn die Windräder errichtet sind: "Armes schönes und verwunschenes Seenbachtal, das hast Du nicht verdient," meint Joachim Elbing im Juli 2013, der seit mehr als 14 Jahren auch mit Gästen unterwegs im Vogelsberg ist.
Liebe Frau Möllermann,
den Landkreis Giessen findet man auf Satellitenfotos leicht durch den Autobahnklumpen mit Gambacher Kreuz, Giessener Südkreuz, Giessener Ring und diversen Zubringern. Er ist dicht besiedelt, aber an seinem Ostrand gibt es noch ein kleines Paradies. Kleine Fachwerkdörfer, meist älter als die Stadt Giessen, noch im Landkreis Giessen, aber eigentlich zum Vogelsberg gehörend: Freienseen, Lardenbach, Weickartshain, Seenbrücke, Altenhain. Meist bewaldete Bergkuppen umrahmen die Dörfchen, die nur einige hundert Einwohner zählen. Dazwischen liegen malerische Wiesentäler: das Seenbachtal und seine Seitentäler.
Man fühlt sich in eine andere Zeit versetzt. Wer die ausgeschilderten Wanderwege, etwa den über hundert Jahre alten Wanderweg "Blaues Dreieck" Giessen-Hoherodskopf wandert oder radelt, der kommt hier vorbei, auch der VV Vogelsberger Vulkanring führt durch das Seenbachtal. Es ist der Westrand des "Naturparks Hoher Vogelsberg". Solche Flecken gibt es in Hessen nicht mehr allzu oft, es sind die letzten.
Ein "interkommunaler Windpark" soll nun diesem Paradies den Garaus machen. 15 - 20 Windräder sollen auf den Bergkuppen rund um die genannten Dörfer errichtet werden. Für jedes einzelne werden bis zu vier Hektar Wald gerodet, dazu eine breite Schotterpiste für die größten Autokräne der Welt. Jedes Windrad bekommt ein Fundament mehr als zwanzig Meter im Durchmesser aus 3500 Tonnen Beton.
Blick von den Altenhainer Wochenendhäusern Richtung Giessen: Demnächst nur noch durch fünf Propeller, auf denen es nachts blinkt. Der Standort liegt im TAL (!) des Seenbachs (c) Joachim Elbing
Nun ist Windenergie sicher eine gute Sache, aber nicht im Naturschutzgebiet und nicht im Wald. Bei den ausgewiesenen Windkraftvorranggebieten wurde diese Region bewusst ausgespart. Den Bürgermeistern und Parlamentariern von Laubach und Grünberg geht es auch nicht um umweltfreundliche Stromerzeugung, diskutiert wurde, wie man aus der Presse entnehmen konnte, nur über Geld.
Laubach muss den Rettungsschirm finanzieren, Grünberg noch mehr Kita-Plätze, die Einnahmen aus der hochsubventionierten Windkraft sollen das sicherstellen. Nun ist es eigentlich egal, ob der kleine Mann als Steuerzahler gleich Kitas subventioniert oder über einen höheren Strompreis die Windkraft und diese dann Einnahmen für die Gemeinde abwirft. Blöder und komplizierter geht es ja wohl nicht.
Schiefgehen kann die ganze Goldgräbergeschichte auch: Man braucht nur mal bei Google nach "windkraft, Konkurs" zu suchen, um zu erfahren, wie schnell aus hochfliegenden Plänen ein Schuldenberg und ein rostiger Fundamentrest werden können. (Es kommen tausende interessante Suchergebnisse, Popcorn und Sixpack / Kaffee bereitstellen.)
Joachim Elbing im westlichen Vogelberg, einem Paradies für Mensch und Tier: Im Wald unterhalb von Altenhain, direkt hinter dem Reiter, planen die Kommunen einen Windpark von mindestens fünfzehn Windrädern mit zweihundert Meter Gesamthöhe - Foto (c) privat
Und Gewerbesteuer gibt es nur, wenn sich die Sache rentiert. Hier auf gerade mal gut 200 m über dem Meer, zwischen Wäldern, bei winterlicher Ostwetterlage oft wochenlang am Stück im Windschatten des größten Vulkans Europas, habe ich da als Drachenfan so meine Zweifel. Meist reicht der Wind hier nicht zum Drachensteigen, Drachenflieger, Segelflieger Paraglider, all dies sucht man im westlichen Vogelsberg vergeblich.
Was hier kommen soll, sind nicht Windräder, wie sie an der A 5 bei Mücke stehen. Wer sich die neuen Monster der OVAG und die dazu gehörige Baustelle anschauen möchte, sollte mal nach Ulrichstein, Hessens ehemals hübscher höchstgelegene Stadt fahren. Wer da ein paar Jahre nicht war, den trifft wahrscheinlich gleich der Schlag.
Einfach auf dieser Seite mal nach unten scrollen: www.gegenwind-vogelsberg.de
Bereits realisiert - ebenfalls gegen den Protest der Bevölkerung: 200 m hohe Windkraftanlagen an der Hohen Straße (c) HESSENMAGAZIN.de
Den Traum vom kleinen Haus in Lardenbach, den habe ich sicherheitshalber bereits begraben. Andere vielleicht auch, die wenigen Bauplätze, die in Klein-Eichen und Lardenbach erschlossen wurden, scheinen jedenfalls jetzt schon unverkäuflich. Und mehr als ein Fachwerkhaus, renoviert und Baudenkmal, ziert jetzt schon das Schild "zu verkaufen". Nur haben will sie keiner.
Und gäbe es noch tausend gute Gründe, warum ausgerechnet hier zu den bereits über zweihundert Windrädern im Vogelsberg noch weitere gebaut werden müssen, so stehen sie immer noch direkt und unmittelbar im schmalen Zugkorridor der Kraniche, die jeden Herbst, oft im Nebel und im Tiefflug mit bis zu 70.000 Vögeln entlang der Westkante des Vogelsberges Richtung Lahntal ziehen. Bei schlechten Wetter rasten sie auch oft auf den Wiesen rund um den Pfortwald.
Schöne Grüße aus Deutschlands schönster Ferienregion, dem westlichen Vogelsberg
Joachim Elbing und Röslein
Berittführer am Islandpferdehof Hestavin in Lardenbach, einer der Reitstationen im Vogelsberg www.reitstationen.de