[EU] Die Finanzierung neuer Atomkraftprojekte in der EU ist mit hohen volkswirtschaftlichen Risiken verbunden. Das zeigt eine aktuelle Studie von Wissenschaftlern und der Technischen Universität Berlin im Auftrag von Greenpeace (https://act.gp/4en2ZwT). Gemeint sind unter anderem unkontrollierte Kostensteigerungen und massive Verzögerungen. Der Reaktor Flamanville 3 in Frankreich etwa kostete mit 13,2 Milliarden viermal so viel wie erwartet, und der Bau dauerte 17 Jahre statt der geplanten fünf. Hinzu kommen hohe Finanzierungskosten, die schwankende Akzeptanz in der Bevölkerung und geopolitische Faktoren, etwa die Abhängigkeit vieler EU-Länder von russischen Brennelementen.
Das finanzielle Risiko tragen nicht die Betreiber, sondern die Bürger:innen des Staates
Die Studie vergleicht unterschiedliche Finanzierungsmodelle und kommt dabei jeweils zum gleichen Schluss: Der Staat muss bei Atomenergieprojekten immer wieder Finanzierungslücken schließen. Als Beispiele nennen die Autoren der Studie verschiedene Projekte in China, Russland, Großbritannien und Finnland, deren Kosten und Bauzeit weit über dem veranschlagten Rahmen liegen. Kleine modulare Reaktoren sind nicht weniger riskant.
“Private Investoren machen einen großen Bogen um problemanfällige AKW-Projekte, die Risiken muss immer der Staat übernehmen”, sagt Greenpeace-Atomexperte Heinz Smital. “Die Studie zeigt, dass der deutsche Atomausstieg nicht nur aus Sicherheitsgründen unumgänglich war, sondern auch wirtschaftlich klug. Wind- und Solarenergie sind schon heute deutlich günstiger als Atomstrom, und ihre Kosten sinken weiter.”
In den vergangenen zwei Jahrzehnten hat die Europäische Investitionsbank (EIB) 845 Millionen Euro in den Atomsektor investiert. Die Teilnehmenden der Generalversammlung der Europäischen Investitionsbank (EIB) - darunter auch Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) - legen in den nächsten Tagen den strategischen Investitionsfahrplan für die Jahre 2024 bis 2027 fest.
Erstmals plant die EIB auch die Entwicklung sogenannter kleiner modularer Reaktoren (“small module reactors”, kurz SMRs) zu unterstützen. “SMRs sind nicht besser als traditionelle Atommeiler”, sagt Smital. “Niemand kann absehen, ob sie wirtschaftlich rentabel sind. Auch bei ihnen besteht die Gefahr, dass radioaktives Material in die Umwelt gelangt, und sie produzieren ebenfalls Atommüll, der entsorgt werden muss.”
“Atomkraft ist sogar dann schädlich, wenn kein Unfall passiert und wir die Ewigkeitslasten der Hochrisikotechnologie ausklammern”, sagt Heinz Smital. “Das hohe finanzielle Risiko tragen die Steuerzahlenden mit Geld, das dann beim Ausbau nachhaltiger Energiequellen oder sozialen Projekten fehlt.”
Mehr über die Studie in Kurzform:
www.greenpeace.de/sites/default/files/publications/20160619-greenpeace-kurzbriefing-fissionforfunds.pdf
Quelle Text: Greenpeace
Gut zu wissen
2011 wurde in Deutschland der Atomausstieg bis zum Jahr 2022 beschlossen und das letzte Atomkraftwerk sollte abgeschaltet werden. Grund waren die verheerenden Folgen der atomaren Katastrophen in Tschernobyl (1986) sowie Fukushima (2011). Radioaktive Strahlung ist hochgefährlich.
Wegen der akuten Energiekrise zu Beginn des Ukrainekriegs wurden die letzten drei Kernreaktoren - Isar 2, Emsland A und Neckarwestheim 2 - jedoch erst im April 2023 vom Netz genommen und werden jetzt rückgebaut. Mehr dazu auf de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_Kernreaktoren_in_Deutschland
Obwohl der Vorteil - geringerer Verbrauch von Erdöl und Kohle - nun wegfällt, wurde die Energiewende mit Wind- und Wasserkraft, Geothermie und Sonnenenergie eingeleitet.
Quelle Ergänzungen: Brigitta Möllermann, HESSENMAGAZIN.de