Das einfache Leben: Als selbst Beten nicht half

Montag, den 16. Juli 2012 um 16:46 Uhr Freizeit & Tipps - Zeitgeschichte
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Im Schatten der Burgen gab es die "gute alte Zeit" nicht

Einblick vermitteln höchst anschaulich Freilichtmuseen mit ihren authentischen alten Bauten (c) HESSENMAGAZIN.de

[Hessen - Deutschland] Bäuerliche Familienbetriebe mit ihren mühevollen Aufgaben - Feldarbeit, Holz hacken, Versorgen der Tiere - waren früher reine Selbstversorger. Zur alltäglichen Arbeit gehörten die Ernte und das Kochen sowie das Herstellen eigener Bekleidung. Freizeit im heutigen Sinne gab es nicht. Ein hartes Los mit großer Unwissenheit und Unsicherheit prägte die Menschen. Bis in die Neuzeit bestimmten dazu Tag und Nacht sowie wie der Rhythmus der Natur ihren Tagesablauf.

Mehr als 90 Prozent der Bevölkerung lebte auf dem Land

In der Dreiständegesellschaft des Mittelalters nahmen die Mitglieder des Klerus (Kirche) und der Aristokratie (Adel) etwa zwei Prozent der Bevölkerung ein. Ihnen gegenüber stand der Großteil der Menschen des dritten Standes: Bauern, Handwerker, Knechte und dazu die Bürger sowie Arbeiter in Städten. Letztere sollten bald den vierten Stand bilden.

Zu Beginn des Mittelalters gab es viele freie Bauern. Doch als die Bevölkerung wuchs - und damit auch die Zahl der Räuber und Raubritter zunahm, stellten sich nach und nach viele freiwillig unter den Schutz eines Herrn. Dadurch begaben sie sich in Abhängigkeit und Unfreiheit und hatten von nun an Abgaben und Frondienste zu leisten.

Ackerbau, Pferd und Ziege plus ein Dach über dem Kopf

Gottersdorf: Ein seltenes Zeugnis aus dem 16. Jahrhundert (c) HESSENMAGAZIN.de
Gottersdorf: Ein seltenes Zeugnis aus dem 16. Jahrhundert (c) HESSENMAGAZIN.de

Hauptbaustoffe für mittelalterliche Häuser auf dem Land waren Holz und Lehm. War das Heim erst einmal gebaut, sollte es Mann, Frau und Kinder vor Wind und Wetter, Kälte und möglichen Dieben schützen. Die kleinen Fenster im Holzgefach, eventuell bespannt mit Pergament oder dünn geschliffenem Horn, konnten mit Läden verschlossen werden. So wehrten sie jedoch nicht nur "Gesindel" ab, sondern auch Licht und Luft.

Das Dach bestand im Mittelalter oft aus Stroh oder Holzschindeln. Erst später deckte man es mit Schiefer oder gebrannten Tonziegeln. Wer Geld besaß, errichtete für sein Heim ein Sockelgeschoss aus Mauerwerk, z. B. behauenen Sandsteinen. Andere verwendeten dazu einfache Feldsteine. Den Fußboden im Haus bildeten meistens Steinplatten, oft aber Holzdielen oder sogar nur fest gestampfter Lehm, der mit Matten aus Stroh ausgelegt wurde.

Ein
Ein "Plumpsklo" innerhalb des Hauses war reiner Luxus (c) HESSENMAGAZIN.de

Ein Teil des Hauses diente als Stall und Scheune. Der andere war "Behausung" mit einigen Zimmern und vielleicht einer zentralen Diele mit Feuerstelle. Da wurde im Kessel Getreidebrei oder Gemüsesuppe gekocht, manchmal Fleisch gesotten und Fisch gedünstet. Viel Hausrat, einen richtigen Herd oder ein Badehaus im Hof besaßen nur die Reicheren. Im Stall hielt auch ein Kleinstbauer Kleintiere und Geflügel: Huhn und Gans, die Ziege für die Milch und das Schaf für die Wolle. Eventuell kam noch ein Schwein oder eine Kuh dazu.

Alltag im Mittelalter: Mangel, Hunger und frühes Sterben

Wer Pfarrer, Oberförster, Verwalter, Jurist oder Schulmeister (Lehrer) war, nahm, obwohl er vielleicht wenig besaß, eine Sonderstellung durch seine Ausbildung ein. Adelige als Großgrundbesitzer und Gutsherren hatten es von ihrem Stand her am besten getroffen. Waren sie keine "Krautjunker", ließen sie dementsprechend viele Hörige und Leibeigene für sich arbeiten. Die freie Bauernschaft war bis zur Bauernbefreiung Mitte des 19. Jahrhunderts bis auf einzelne, wenige Hofbauern zusammengeschrumpft.

Fast heimelige Momentaufnahme einer Wohnküche Ende des 19. / Anfang des 20. Jahrhunderts (c) HESSENMAGAZIN.de
Fast heimelige Momentaufnahme einer Wohnküche Ende des 19. / Anfang des 20. Jahrhunderts (c) HESSENMAGAZIN.de

Die meisten Untertanen auf dem Land waren Bauern und erste Proletarier, die durch erbliche Landteilung landlos geworden, nun als lohnabhängige Besitzlose, ihren Lebensunterhalt durch den "Verkauf" ihrer Arbeitskraft - u. a. in Eisenwerken, Hütten oder Mühlen oder als Köhler und Hirte - verdienten. In den nicht so angesehenen Gesellschaftsschichten besaßen Kleinbauern,"Gärtner" oder Häusler, Fuhrknechte und Landhandwerker, zwar ein eigenes Haus, aber das meistens ohne Vieh und ein Stück Land, das größer als ein Garten gewesen wäre. In der Regel mussten sie sich als Tagelöhner verdingen.

Die niedrigste Stellung in der Gesellschaft hatten die so genannten "Hausgenossen" inne. Das waren Knechte, Holzfäller sowie Dienstboten, die zur Miete wohnten und "von der Hand in den Mund" lebten. Ihr eintöniges Leben wurde nur durch Kirchweihfeste oder den seltenen Besuch des Dorfwirtshauses unterbrochen. Dann schlugen manche von ihnen auch über die Stränge und ergingen sich in "Unbotmäßigkeit und Rohheit".

Eine karge Stube mit allem, was damals notwendig war (c) HESSENMAGAZIN.de
Eine karge Stube mit allem, was damals notwendig war (c) HESSENMAGAZIN.de

Bauernhöfe, Mühlen, Reste römischer Gutshöfe in Museumsdörfern überall in Europa

Neben Burgen und Schlössern sind Freilandmuseen ein lohnenswerter Anlaufpunkt für Ausflüge. Lassen Sie sich nicht von der häufigen Bezeichnung "volkskundlich" oder dem Attribut "wissenschaftlich" abschrecken. Fröhlich und interessant wird es grundsätzlich immer bei den organisierten Aktionstagen, Festen und historischen Darstellungen vor Ort: Grünkernfest oder Handwerkertag bzw. Traktorentreffen. Zu dem Punkt "lebendiges Museum" tragen ebenso die dort gehaltenen Tiere hinter ihren geflochtenen Zäunen und in mit Stroh ausgestreuten alten Ställen bei.

Liste deutscher Freilichtmuseen: HIER <-KLICK

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