Frühjahrsexkursion ins Naturparadies Ruhlsee

Freitag, den 27. März 2015 um 07:15 Uhr Gut zu wissen - Umwelt
| Drucken |

Renaturierter Ruhlsee (c) HESSENMAGAZIN.de[Langenselbold] Mehr als 35 Naturfreunde nahmen am Sonntag, den 15. März 2015, bei kaltem und sonnigen Wetter an der alljährlichen Frühjahrsexkursion der Gesellschaft für Naturschutz und Auenentwicklung (GNA) teil. Ziel war der renaturierte Ruhlsee in Langenselbold.
Wie zur Begrüßung segelten gleich zu Beginn neun Weißstörche über die „Kinzigaue von Langenselbold“.

Die Teilnehmer erfuhren, dass das Gebiet wegen seiner immensen ökologischen Bedeutung nicht nur national unter Schutz steht, sondern auch Teil des europäischen Schutzgebietssystems „NATURA 2000“ ist. Grundlage dafür sei die Flora-Fauna-Habitat (FFH) –Richtlinie der EU, berichtete Exkursionsleiterin und Diplom-Biologin Susanne Hufmann, die die von der GNA initiierte und geplante Renaturierung gemeinsam mit ihrem Kollegen Günter Könitzer von 2009 bis 2010 realisierte.

Das schon 1980 ausgewiesene Naturschutzgebiet ist 129 ha groß und liegt zwischen der A 66 und der Kinzig. Die feuchten Eichen-Hainbuchen-Waldstücke „Bocksgehörn“, „Stellweg“ und „Stümpfe“ und die Kinzig mit ihren naturnahen Ufergehölzen gehören ebenfalls dazu. Das Auengrünland beherbergt neben seltenen Orchideen auch viele andere bedrohte Pflanzenarten.

Inzwischen finden sich Jahr für Jahr auf und an dem Naturschutzsee zahllose Wat- und Wasservögel zum Rasten und Überwintern ein. Das nicht ohne Grund, denn der Ruhlsee verfügt seit seiner Umgestaltung über eine drei Hektar große Flachwasserzone, die heute nicht nur Rastplatz, sondern auch Brutgebiet ist. Immer mehr interessante Vogelarten können am Südufer des Sees, das nicht betreten werden darf, beobachtet werden, darunter ornithologische Raritäten wie Bruchwasserläufer oder Schwarzhalstaucher.

Diese wurden zwar während der Exkursion nicht gesehen, dafür aber Flussuferläufer, Flussregenpfeifer und Rotschenkel. Auf den Wiesen ästen zahlreiche Grau- und Kanadagänse, jagte ein Graureiher. Nilgänse waren nicht zu beobachten. Neben Haubentauchern und vielen Entenarten bevölkerten etliche Kormorane den See. Eine gelbbeinige Großmöwe konnte von den GNA Ornithologen als Mittelmeermöwe identifiziert werden, die außerhalb ihrer Brutzeit in großen Teilen Europas zu finden ist.

Während der Kinzigsee ganz der Freizeitnutzung und dem Wassersport zur Verfügung steht, sollen am Ruhlsee Naturschutz und Erholung in Einklang gebracht werden. Neben Joggern und Radfahrern sind es vor allem Spaziergänger, die die weithin offene Landschaft schätzen und die Ruhe genießen. Das Planungsteam von damals ist sich sicher: „In Langenselbold ist ein ökologisch sehr bedeutendes Naturschutzgebiet entstanden. Und das mitten im Main-Kinzig-Kreis, der eine traditionelle Vogelzugroute darstellt. Von unseren Maßnahmen profitiert das gesamte Ökosystem mit all seinen seltenen oder bedrohten Tier- und Pflanzenarten, die für Feuchtgebiete typisch sind.“

Auch gehört das extensiv bewirtschaftete Grünland um den Ruhlsee schon seit langem wieder zum Revier der Weißstörche, Grau- und Silberreiher. Die Arten teilen sich das gleiche Nahrungsspektrum: Alles Tierische wird gefressen. „Das könnte sich in den nächsten Jahren an der Kinzig allerdings zum Problem für die Artenvielfalt entwickeln.“, antwortete Exkursionsleiter Günter Könitzer auf besorgte Nachfragen der Teilnehmer.

„Durch das Aufstellen immer neuer Storchenmaste wächst die Population der Weißstörche ständig an, was grundsätzlich sehr erfreulich ist, nachdem der Weißstorch fast zwei Jahrzehnte lang ganz aus Hessen verschwunden war. Während im ersten Jahr seiner Wiederkehr, im Jahr 2000, nur zwei Brutpaare im Kreis siedelten, waren es im letzten Jahr, also 14 Jahre später, schon 41 Brutpaare, die insgesamt 94 Jungstörche aufgezogen.“, erläuterte Hufmann.

Die mittlere Gelegestärke liegt bei drei bis vier Eiern. Wesentlich niedriger als die Zahl der Eier sei die Anzahl ausfliegender Jungvögel. Sie liegt im Durchschnitt bei ein bis zwei Jungen, so geschehen im letzten Jahr in Rodenbach, wo insgesamt fünf Nester besetzt waren. Denn nur dort, wo die Nahrungsvoraussetzungen wirklich gut seien, gelingt es, alle Jungvögel eines Horstes großzuziehen. So könnte die geringe Anzahl der Rodenbacher Jungstörche, die tatsächlich flügge wurden, das erste Signal einer Nahrungsknappheit sein. Denn nicht nur Störche machen Jagd auf Mäuse, Frösche und Co., sondern auch Grau- und Silberreiher, deren Anzahl ebenfalls stark zugenommen hat.

„Wenn man nun bedenkt, dass zum Ende des letzten Sommers allein im Main-Kinzig-Kreis 176 ausgewachsene Störche ernährt werden mussten, ist das schon eine große Belastung für die Artenvielfalt.“, so Hufmann abschließend. Abhilfe schaffen könnten nur Lebensraumoptimierungen wie die Anlage von Flachwassertümpeln oder anderen Nahrungshabitaten in der Aue, wie sie von der GNA schon seit langem durchgeführt werden.

Gut zu wissen: Was frisst der Storch?

Als ausgeprägter Nahrungsopportunist frisst der Storch beinahe alle tierische Nahrung, die nicht zu klein, nicht zu groß und vor allem einfach zu erbeuten ist. Sein Speiseplan ist wesentlich reichhaltiger als der der meisten europäischen Vogelarten. So liest sich sein Speisezettel wie die Aufzählung der in Mitteleuropa vorkommenden Kleintierarten: Eidechsen, Molche, Schlangen, Maulwürfe, Spitzmäuse, junge Ratten; aber auch Heuschrecken, Käfer, Insektenlarven aller Art, Schnecken, Muscheln und sogar Fische und Aas. Auch Nestlinge anderer Vögel, vor allem bodenbrütender Arten (z. B. Kiebitz) zählen zu seinen Beute. Das Klischee vom reinen „Froschjäger Storch“ ist damit hinfällig, wenngleich auch seltene und bedrohte Amphibienarten wie der Laubfrosch nicht verschmäht werden.

Quelle Text: Gesellschaft für Naturschutz und Auenentwicklung (GNA)


Mehr dazu bei uns: HIER <-KLICK