Mama, ein Apfelbaum! Oder: Wem gehört das Obst?

Dienstag, den 13. Oktober 2015 um 06:09 Uhr News Ticker - Aktuelles
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Apfelbaum mit reifen Äpfeln (c) HESSENMAGAZIN.deSehr geehrte Damen und Herren,

aus aktuellen Anlass schicke ich ihnen einen Artikel, den ich gestern auf unserem Kelterfest ausgelegt habe. Ich würde mich freuen, wenn Sie über dieses Thema - Obstdiebstähle in Darmstadt Eberstadt - berichten würden, um die Leser dafür zu sensibilisieren. Wir würden gerne noch bis Ende November Äpfel keltern, wenn wir bis dahin noch welche haben!

Mama, ein Apfelbaum! Oder: Wem gehört das Obst?

Resigniert klappe ich an diesem Nachmittag zum dritten Mal mein Buch zu, laufe zum Tor, schaue auf meine Streuobstwiese und sehe Mutter und Kind Äpfel sammeln. Welch idyllischer Anblick, nur es sind meine Äpfel, die da gerade in fremde Taschen wandern. Freundlich kläre ich die beiden auf, dass sie sich auf meiner Streuobstwiese befinden und sich ohne meine Erlaubnis keine Äpfel nehmen dürfen.

Die Kleine schaut mich entsetzt an, ihr ist gerade bewusst geworden, dass sie, ohne es zu wollen, gestohlen hat. Die Diskussionen mit Erwachsenen laufen oft nach diesem Muster ab: Warum denn das Gelände nicht eingezäunt sei?

Antwort: Äcker und Wiesen sind nie eingezäunt, dürfen auch gar nicht eingezäunt sein, trotzdem gehört jede Fläche, jeder Baum jemanden.

Aber was auf dem Boden liegt darf man doch nehmen? Antwort: Nein, auch diese Äpfel werden zu Apfelsaft gekeltert, reifen sogar auf der Wiese noch nach.

Aber es gibt doch total viel Obst in Eberstadt, das vergammelt doch nur. Antwort: Das vergammelt nur, wenn wir nicht genug Helfer haben um zeitnah auf allen Flächen, die wir beernten dürfen abzusammeln. Außerdem ist es Sache der Eigentümer zu entscheiden was mit dem Obst passiert.

Aber das ist doch alles Natur, da kann man sich doch bedienen? Antwort: Nein, Metallgitter wachsen nicht von selbst an Bäumen, die werden vom Pächter gekauft und aufgestellt um die Jungbäume vor Verbiss zu schützen.

Warum hängt Ihr denn nicht an alle Bäume Schilder? Antwort: Oft pflücken Leute sogar an Bäumen an denen der Verein Schilder aufgehängt hat, dass die Äpfel gebraucht werden, um die Vereinsarbeit zu finanzieren. Wiederum andere pflücken an Bäumen, an denen keine Schilder hängen, weil: wenn man da nix nehmen dürfte, würde ja ein Schild hängen.

Warum gibt es immer mehr Obstdiebstähle in Eberstadt? Sind die Leute so arm, dass sie sich keine Äpfel leisten können? Antwort: Eher nicht, der Grund ist die zunehmende Unkenntnis und Entfremdung zwischen Konsument und Landwirtschaft.

Wer weiss, wie lange es dauert bis ein Hochstamm das erste Mal trägt (10 bis 15 Jahre), wie teuer ein Jungbaum Bioware ist (70 €), wie viel Plackerei es ist in einem heißen Sommer wie diesem die Jungbäume durch wochenlanges Gießen überhaupt am Leben zu halten? Wieviele Arbeitsstunden nötig sind, um das giftige Jakobskreuzkraut auf den Weiden einzudämmen?

Der Freundeskreis Eberstädter Streuobstwiesen e.V. hat in den letzten 20 Jahren 1.500 Jungbäume gepflanzt. Ohne dieses Engagement wäre die Streuobstwiesenlandschaft, in der es sich so schön spazieren gehen lässt, längst zu einem undurchdringlichen Brombeerdickicht. verkommen.

Die alten Besitzer können nicht mehr, deren Kinder arbeiten Vollzeit. Der Verein ist in die Bresche gesprungen und pflegt und erhält die Streuobstwiesenlandschaft mit seinen Ehrenamtlern und braucht die Erlöse durch den Verkauf von Süßmost und Fruchtaufstrichen um die Maschinen, fünfzehn Angestellte in Schäferei, Landschaftspflege, Umweltpädagogik und Kindergarten, 350 Schafe und Gebäude zu unterhalten, die für den Erhalt und die Nutzung dieser Landschaft dienen.

Die Streuobstwiesenlandschaft ist eine vom Menschen geschaffenen Kulturlandschaft an dem wertvolle Nahrungsmittel erzeugt werden. Helfen Sie uns diese zu erhalten!

Mit freundlichen Grüßen

Annette Wagner, Freundeskreis Eberstädter Streuobstwiesen e.V., www.streuobstwiesen-eberstadt.de